Luftpost 85: Griechische Tragödie

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Die griechische Tragödie, die sich derzeit abspielt, ist in dem Land am Peloponnes offenbar nichts Neues. Der öffentliche Luftverkehr lieferte seit jeher zahlreiche Beispiele dazu. So wurde 1946 eine Airline gegründet, die den unheilschwangeren Namen „TAE Hellenic National Airlines“ trug. TAE stand für Technical & Aeronautical Exploitations, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie „Technische und fliegerische Ausbeutung“! In der Tat wurde von Anfang an gewirtschaftet, als gäbe es kein Morgen. Der Staat sicherte der Airline Privilegien nach Wunsch zu: Ein 50-jähriges Lufttransportmonopol für Griechenland, zollfreie Einfuhr von Waren jeglicher Art, Steuerfreiheit, Befreiung von Landegebühren in ganz Griechenland, das Monopol auf die Betankung oder die technische Wartung aller ausländischen Airlines, die Griechenland anflogen. Außerdem untersagte die Regierung allen anderen griechischen Flugunternehmen jegliche Geschäfte über den Atlantik.

Erst Aristoteles Onassis räumte 1956 mit der Misswirtschaft auf. Mit „Olympic Airways“ sorgte der Tankermilliardär auch noch für einen stolzen Namen, das Logo am Tail empfand er den olympischen Ringen nach. Er kaufte stets das neueste Fluggerät und schickte seine Olympic auf den ehrgeizigen Weg, zur besten Airline der Welt und zum Botschafter Griechenlands zu werden. Das Streckennetz spannte sich bald von den Golfstaaten über Europa nach Südafrika, Australien und Nordamerika. Die Cockpits der Flugzeuge waren paritätisch mit amerikanischen und griechischen Piloten besetzt.

Als aber 1973 Onassis’ Sohn Alexander, selbst Pilot und Fluglehrer, beim Start mit einer Privatmaschine ums Leben kam, vermutete Onassis einen Plot der griechischen Militärregierung zusammen mit der amerikanischen CIA. Der verbitterte Tankerkönig entschloss sich, die Olympic abzustoßen und wieder an den Staat zu verkaufen. Wo vorher freies Unternehmertum die Airline zwischenzeitlich zum Erfolg gebracht hatte, herrschte bald wieder schwerfällige Bürokratie, Vetternwirtschaft und Verschwendung. Die stolze Olympic geriet bald ins Trudeln und in immer größere finanzielle Nöte. Die jährlichen Verluste überstiegen regelmäßig die 100 Millionen Dollar Grenze.

1994 genehmigte die EU der griechischen Regierung eine einmalige zwei-Milliarden-Dollar-Finanzspritze unter weitreichenden Bedingungen: Unter anderem musste sich nämlich das Verkehrsministerium zukünftig aus dem Management heraushalten und mehr Wettbewerb zulassen. Und schon ein Jahr später konnte Olympic erstmals seit Jahren wieder ein Plus bilanzieren.

Doch 1996 schien sich das Verkehrsministerium nicht mehr an die EU-Bedingungen zu erinnern: Ein Reuters Journalist erhielt während eines Interviews mit dem Chef der Airline den Anruf eines Kollegen, der Verkehrsminister habe seinen Interviewpartner soeben entlassen. Zwischen 1967 und 1996 hatte Olympic Airways damit 26 Vorstandsvorsitzende verschlissen. Der soeben geschasste und eigentlich erfolgreiche Rigas Doganis wurde durch Jordan Karatzas ersetzt. Aber auch der durfte nur ein Jahr ran.

Eine Britische Consulting Firma wurde engagiert, um die marode Fluggesellschaft zu sanieren. Doch nach vielen internen Schwierigkeiten, geprägt von Misstrauen gegen die Engländer kündigte Olympic nach drei Jahren den Vertrag, übrigens ohne das Honorar zu bezahlen. Am 8. Dezember 2000 gestand die griechische Regierung erstmals ihr Versagen ein. Mittels einer Zeitungsanzeige in der Financial Times wurden weltweit Investoren und Käufer gesucht.

Schließlich benannte man 2003 die relativ gesunde Macedonian Airlines in Olympic Airlines um. Diese neue Olympic übernahm die Geschäfte der alten, natürlich mit Schuldenschnitt, das hat in diesem Land offenbar schon länger Tradition. 2005 suchte die Regierung schon wieder nach einem Käufer. Während sich Aegean Airlines und DBA im letzten Augenblick zurückzogen, wollte ein griechisch-amerikanischer Investor die Airline übernehmen. Wegen ungeklärter Streitigkeiten über Rückzahlungsverpflichtungen von Milliardenzuschüssen, nahm der Investor jedoch wieder Abstand. Operativ wurde die Olympic längst von der privat geführten Aegean Airlines überflügelt. 2013 verschwand der einstige Stolz Griechenlands dann doch noch als Junior Partner unter den Fittichen von Aegean.

Am Tempel von Delphi, in dem die Pythia ihr Orakel zu sprechen pflegte, soll es laut Platon eine in Stein gehauene Inschrift gegeben haben: „Mηδὲν ἄγαν“ „Nichts im Übermaß“. Vielleicht hätten sich die verschiedenen griechischen Regierungen diese Mahnung schon vor längerer Zeit etwas mehr zu Herzen nehmen sollen. Könnte man heute das Orakel noch mal zur Zukunft Griechenlands befragen, würde man vielleicht die sibyllinische Antwort erhalten: „Die Olympische Flamme erlischt von Zeit zu Zeit.“ Sicherheitshalber machte das Streckennetz der Olympic schon von jeher einen großen Bogen um Delphi …

von Andreas Fecker