Luftpost 78: „Peanuts“

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Bei Familie Cho hängt der Haussegen schief. Vater Cho Yangho ist Chef der Korean Air Lines, die wiederum der Hanjin Gruppe gehört. Das ist ein Familienunternehmen, das ebenfalls von Cho Yangho regiert wird. Tochter Cho Hyun-ah flog am 5. Dezember 2014 von New York City zurück nach Seoul. Die 40-jährige ist die zukünftige Erbin des väterlichen Firmenimperiums, war CEO der KAL Hotelkette, der Wangsan Leisure Development Co und des Hanjin Travel Service, allesamt Geschäftsbereiche der Hanjin Gruppe. Man sagt ihr nach, dass sie ihre Mitarbeiter wie Diener oder Leibeigene behandelt. Cho Hyun-ah ist mit einem Schönheitschirurgen verheiratet. Als sie mit Zwillingen schwanger war, quartierte sie sich zwei Monate vor der Niederkunft auf Hawaii ein und brachte die Kinder dort zur Welt. Damit ersparte sie ihren Söhnen die zweijährige Wehrpflicht in Südkorea.

Cho Hyun-ah war bis jetzt natürlich auch Senior-Vizepräsidentin der Korean Air Lines und flog folgerichtig Erster Klasse. Auf dem Weg zur Startbahn in New York verteilte eine Flugbegleiterin ungefragt Macadamia-Nüsse unter den Passagieren. Aber die waren noch in der Verpackung und nicht im Schälchen. Madame Cho Hyun-ah empfand es offenbar als Zumutung, den Beutel selbst öffnen zu müssen. Außerdem wäre sie gerne gefragt worden, ob sie überhaupt einen Snack wünschte. Wütend warf sie die Nüsse gegen die Wand, beschimpfte die Stewardess und schickte nach dem Chef des Kabinenpersonals. Jetzt eskalierte die Farce. Purser Park Chang-jin und die in Tränen aufgelöste Stewardess mussten vor ihr niederknien, eine Strafpredigt anhören und um Entschuldigung bitten. Frau Cho schlug dem Purser dabei wiederholt mit einem Aktenordner auf die Hände. Während ihrer demütigenden Schimpftirade zeigte sie auch noch mit dem Finger auf ihn, eine in Asien höchst entwürdigende Geste. Zum Abschluss kündigte sie ihm fristlos. Sie ließ das Flugzeug umkehren und zum Gate zurückrollen. Park Chang-jin musste aussteigen und sollte zusehen, wie er nach Seoul zurückkam. Mit 20 Minuten Verspätung startete dann das Flugzeug in Richtung Südkorea.

Kaum war Park Chang-jin zu Hause, bekam er täglich Besuch von fünf bis sechs Airline- und Regierungsvertretern, die ihn zu der Aussage überreden wollten, Frau Cho hätte sich korrekt verhalten und er habe das Flugzeug freiwillig verlassen, wohl aus Scham über sein Fehlverhalten. Auch Crewmitglieder wurden zu Falschaussagen zugunsten Frau Chos genötigt. Jetzt hatte die Presse Blut geleckt. Park Chang-jin wurde von allen Fernsehstationen interviewt und berichtete wahrheitsgetreu, was sich zugetragen hatte. Nun ließ sich auch die Zahnpasta nicht mehr in die Tube drücken. Der Kampf um die Schadensbegrenzung begann. Vater Cho Yangho entschuldigte sich öffentlich und live im Fernsehen bei der koreanischen Bevölkerung mit einem Kotau, der fast bis zum Boden reichte. Er bedauerte, seine Tochter so schlecht erzogen zu haben und gab bekannt, dass sie aller Ämter bei der Airline enthoben wurde. Cho Hyun-ah entschuldigte sich ebenfalls unter den Augen der Presse bei dem Kabinenpersonal für das Fehlverhalten.

Nun könnte man sagen, die Gerechtigkeit ist hergestellt, das Thema ist Schnee von gestern. Weit gefehlt. Plötzlich ist Korean Air wieder im Gerede, man erinnert sich an einige katastrophale Zwischenfälle, wo Flugzeuge der Korean Air nach versehentlichem Eindringen in sowjetischen Luftraum aus dem Himmel geschossen wurden, mit hunderten von Opfern. 1997 starben 227 Menschen bei einem Crash in Guam, 1999 crashte eine ihrer Frachtmaschinen gleich nach dem Start in London. Seitdem hatte die Airline mit viel Aufwand und Luxus ihr Image aufpoliert. Und jetzt das. Die koreanische Luftfahrtbehörde prüft gerade, die Airline mit einem Flugverbot von 31 Tagen auf der Strecke zwischen Seoul und New York zu belegen. Das käme einem Verlust von 33 Millionen US Dollar gleich. Prompt stürzte der Aktienkurs ab, die Airline verlor innerhalb einer Woche 217 Millionen Dollar an Marktwert.

Außerdem ist eine Geldstrafe von 1,3 Millionen Dollar im Gespräch, denn die Volksseele ist noch lange nicht besänftigt. Staatsanwälte gehen dem Verdacht auf Begünstigung, Vertuschung durch Behörden, Beeinflussung der Presse bis hin zur Pflichtverletzungen seitens des Flugkapitäns nach. Schließlich hatte er es zugelassen, dass ein Passagier seine Crew bedrängte; das ist luftrechtlich eine strafbare Handlung. Sie und fünf Direktoren der Airline dürfen das Land nicht mehr verlassen, da sie angeblich Zeugen beeinflusst und Beweise vernichtet hatten. Der Staatsanwalt dringt auf einen Haftbefehl. Ihre Büroräume wurden durchsucht, Passagierlisten beschlagnahmt, Audio- und Videobeweise sichergestellt.

Auf gesellschaftlicher Ebene entbrannte inzwischen eine Diskussion über hochmütiges Gebaren von Firmenlenkern und deren Familienangehörigen, über Nepotismus und das koreanische Chaebol System, in welchem Familiendynastien industrieübergreifende Konzerne beherrschen. Vater Cho hat inzwischen eine Pressekonferenz zur Winterolympiade 2018 in Pyeongchang abgesagt. Er ist – wie soll es auch anders sein – Leiter des Organisationskomitees.

Diese Geschichte geht nun als „Nut Rage“ um den Erdball. Sie wird auch den Gazetten noch für eine Weile Stoff liefern, zu Lasten der Korean Air Lines. Die Konkurrenz-Airline Asiana freut sich. Eine Handvoll Macadamia-Nüsse kostet die Fluggesellschaft Millionen. Und es hat noch etwas Gutes: Bisher war die Macadamia Nuss in Südkorea so gut wie unbekannt. Innerhalb einer Woche stieg die Nachfrage um das zwanzigfache. Der eigentliche, vollkommen unnötige Anlass war dagegen Peanuts!

von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 78: „Peanuts“”

  1. Nachtrag 30.12.2014
    Frau Cho wurde heute verhaftet und sitzt nun wegen Verdachts auf Eingriff in den Luftverkehr, Nötigung, Vernichtung von Beweismitteln und Verdunkelungsgefahr im Gefängnis.
    Wenn man sich wegen Peanuts halt nicht im Griff hat…