Luftpost 77: Mahnung aus der Vergangenheit

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Über Jahrzehnte hinweg gehörte die Swissair zu den beliebtesten Fluggesellschaften der Welt. Sie profitierte vom einst tadellosen Ruf der Schweizer Banken, der Schweizer Uhren, der Schweizer Schokolade und der Schweizer Gastlichkeit. Die Swissair unterhielt ein weltweites Streckennetz, ihre 72.000 Mitarbeiter, davon 51.000 im Ausland, genossen Gehälter, Auslandszuschläge und Privilegien, wie sie in der ganzen Industrie nicht zu finden waren. 5-Sterne-Hotels und großzügige Reisespesen waren der Standard für die Crews. Die Pilotengehälter stiegen bis zum Ende der Karriere auf 300.000 Franken im Jahr. Zusätzlich zahlte die Swissair sämtliche Pensions-Beiträge. So sammelten sich im Laufe eines Arbeitslebens auf dem Vorsorgekonto eines Piloten mehr als 3 Millionen Franken. Pensionsalter war 57. Der Börsenkurs der Swissair stand 1998 bei 500 Franken pro Aktie. Noch störte es niemand, dass die Airline eigentlich zu groß war für die sieben Millionen Einwohner der Schweiz.

1978 begann in den USA die Deregulierung der Fluggesellschaften. Mitte der 1980er Jahre wurde auch der europäische Markt liberalisiert. Die Fluggesellschaften sahen sich einem zunehmenden Konkurrenzkampf untereinander ausgesetzt. Während die nationalen Carrier wie Air France, KLM, British Airways oder Lufthansa mit dem Ausbau ihrer Drehkreuze reagierten, um Passagieren im eigenen Netz attraktive Ziele anbieten zu können, reagierte die selbstzufriedene Swissair zu spät. Weltweit schlossen sich die Großen Airlines bereits zu Allianzen zusammen, bündelten ihre Ressourcen, begannen mit Code-Share Flügen ihre Netze zu erweitern und Passagiere an sich zu binden. Die Swissair musste sich mit der zweiten Wahl zufrieden geben. Das waren verschuldete Fluggesellschaften wie die Sabena, Austrian, LTU, Air Liberté, Air Littoral oder die TAP. Auch Delta Air Lines war kurzzeitig noch Mitglied der Qualifier Allianz um die Schweizer Fluggesellschaft. Der Absturz der Swissair MD-11 am 2.9.1998 vor Halifax wurde zum Vorboten drohenden Unheils. Der Umbau kostete viel Geld, Kapitalrücklagen von fast drei Milliarden Franken waren im Nu aufgezehrt, die Swissair häufte Schulden bei den Schweizer Banken an. Und die Zukunft verdüsterte sich angesichts einer weltweiten Rezession rapide. Ende 2000 war die Airline 6,8 Milliarden in den Miesen, im September des folgenden Jahres schon 15 Milliarden. Die Schockwelle des 11. September 2001 traf den angeschlagenen Konzern mitten ins Herz. Die Swissair ging vom Sinkflug in den Sturzflug über, drei Wochen später war sie zahlungsunfähig. Die Aktie fiel am 2. Oktober 2001 von 100 SFR auf 1,27 SFR. Rund um den Globus strandeten 39.000 Passagiere, die ihre Flüge nicht mehr antreten konnten. Flugzeuge wurden nicht mehr aufgetankt, teilweise sogar gepfändet.

Retter in der Not war die kleine Regionalfluggesellschaft Crossair, an der die Swissair zu 70% beteiligt war. Sie galt als profitabel, ihr Personal kostete ein Drittel weniger, die Piloten flogen für die Hälfte. Sie fing die Muttergesellschaft auf. Mit Zuschüssen von Bund, Kantonen, Banken und Privatanlegern stockte man das Aktienkapital um rund 3,5 Milliarden SFr auf. Die Flotte wurde verschlankt, Personal und Streckennetz massiv ausgedünnt, unter dem neuen Namen „Swiss International Airlines“ flog die Crossair einem neuen Zeitalter entgegen. 2005 begann die erfolgreiche Übernahme durch die Lufthansa.

Mit dieser Erfahrung im Rücken erscheint es mir klug, dass die Lufthansa dem wachsenden Kostendruck der Billigairlines mit einem Konzernumbau, Low Cost Töchtern und einer überdachten Kostenstruktur begegnet, solange noch Zeit dazu ist. Die Veränderungen auf dem Airline-Markt tatenlos zu beobachten wie ein Reh im Scheinwerferlicht erinnert doch sehr an die letzten Jahre der Swissair. Ob in dieser schwierigen Zeit auch noch Streiks hilfreich sind, die hunderte von Millionen Euro kosten, erscheint mir mehr als fraglich.

von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 77: Mahnung aus der Vergangenheit”

  1. Zu dieser Luftpost erhielt ich mehrer Stellungnahmen per Email, die sich auf den letzten Absatz bezogen. Zwei davon will ich herausgreifen.
    Eine LH-Mitarbeiterin, deren Gatte ebenfalls bei LH beschäftigt ist, schrieb: “Mein Mann hat sehr viel Verständnis für die Piloten, kommt aber auch oft von der Arbeit nach Hause und sagt: Die streiken die Firma noch zu Tode. Ein großer Bestandteil des Unmutes ist, dass Forderungen aus den letzten Verhandlungen (Streiks vor ein paar Jahren) nicht eingehalten wurden, sprich angeblich hat der Konzern die damaligen Zugeständnisse nicht oder nur zum Teil eingehalten. Ist eine echt verzwickte Lage. Doch wenn es finanziell bei der Mutter wieder eng wird, dann werden Töchter outgesourct und dies ist mehr als unfair.
    Die Piloten werden die Langzeitfolgen dieser Streiktage nicht zu spüren bekommen, jedoch die Mitarbeiter von LHT, LSG und Co.”

    Ein Pilot einer andern Airline schrieb: “Im Grundsatz stimme ich Ihnen zu, aber deswegen einen Streik in Frage zu stellen benötigt m. E. doch mehr Insider Wissen, was wir leider über unsere aktuelle Medienlandschaft nicht bekommen. Wenn denn alle Seiten vernünftig wären, richtig verhandeln und sich dann auch noch an das Ergebnis halten würden, wäre sicherlich ein Streik unnötig – aber leider fehlen schon die beiden ersten Bedingungen!”