Luftpost 76: Das fliegende Universum

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Ein Fahrzeug wie zum Beispiel ein Eisenbahnwaggon, der mit 100, 200 oder 300 km/h eine große Anzahl von Passagieren bei relativem Komfort befördern soll, muss robust konstruiert sein und sollte eine von der Außenwelt unabhängige Klimatisierung haben, damit sich die Passagiere wohlfühlen.

Flugzeugzellen sind im Gegensatz zu Eisenbahnwaggons viel weitergehenden Belastungen ausgesetzt. Auf die Zelle wirken Zug, Druck und Verwindungen, an den Tragflächen zerren Gewicht, Auftriebs- und Biegekräfte nach oben und unten. Struktur und Material müssen Temperaturunterschiede von nahezu 100° Celsius plus in der Wüstensonne bis -60° in großen Höhen aushalten, tausende von Landestößen im Laufe eines Flugzeuglebens erschüttern beim Aufsetzen das Flugzeug. Hydraulik, Pneumatik, Klima, Pumpen, Röhren, Flüssigkeitsbehälter müssen extremen Druckunterschieden standhalten. Leckagen sind schon wegen der Korrosionsgefahr nicht tolerierbar. Frachträume sind mechanischen Kräften von tonnenschweren Containern und manchmal groben Beladungsvorgängen ausgesetzt. Fahrwerke dürfen auch bei Übergewichtslandungen nicht einbrechen, daher werden sie härtesten Dauertests unterzogen. Die Zelle wird auf atmosphärische Druckfestigkeit überprüft. Rüttel-, Biege und Belastungstests gemacht.

Und trotz all dieser Mega-Belastungen, trotz der von Wind und Wetter, Eis und Schnee, Sand und Salz, Wüsten- oder Küstenluft, Sturm, Blitz und Hagel bei Geschwindigkeiten diesseits oder jenseits der Schallgrenze müssen alle Baugruppen von der Steuerung über die Treibstoffversorgung, dem Antrieb, der Klappen- und Rudertechnik, der Navigation, dem Sprechfunk, der Elektrik, der Elektronik, der Avionik mit hunderten von Computern in reibungslosem Zusammenspiel perfekt und redundant funktionieren.

Das ist die Herausforderung, der sich große und kleine Flugzeugbauer zwischen Brasilien und China, Japan und Frankreich, Russland und England, Deutschland und den USA mit Sorgfalt stellen. Natürlich ist diese Herausforderung im Laufe der letzten hundert Jahre gewachsen. Mehr Passagiere, größere Höhen, höhere Geschwindigkeiten, mehr Komfort, mehr Sicherheit, weniger Lärm haben die Anforderungen an die Konstrukteure erhöht. Heute erachten wir einen Sicherheitsstandard als selbstverständlich, von dem die Pioniere des Flugzeugbaus von einst nur träumen konnten.
(Auszug aus dem Buch „Technik im Flugzeugbau“ von Andreas Fecker.)