Luftpost 68: Chris Phatswe

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Im Oktober 2012 verkaufte die Lufthansa City Line einen ihrer AVRO RJ-85 an Air Botswana. Botswana ist ein Staat im südlichen Afrika, eineinhalb Mal so groß wie Deutschland, mit gerade einmal so vielen Einwohnern wie Hamburg. Das Land ist stabil, weitgehend korruptionsfrei, hat freie Medien, viele Schulen, Universitäten, asphaltierte Fernstraßen und eine vorbildliche Infrastruktur. Neben Diamanten ist der Tourismus eine Haupteinnahmequelle, denn die afrikanische Schweiz, wie Botswana auch genannt wird, unterhält vier Nationalparks und zahlreiche Tierschutzgebiete. Air Botswana ermöglicht den wirtschaftlichen Kontakt mit den Nachbarstaaten Südafrika, Namibia, Sambia und Zimbabwe.

Die Airline wurde 1972 gegründet und experimentierte zu Anfang mit mehreren Typen, bis sie mit der ATR-42 ein Flugzeug gefunden hatte, das zu ihrem damaligen Verkehrsaufkommen und zu ihrem Streckennetz passte. Profitabel war die Airline allerdings nie, der Staat musste jedes Jahr einen Zuschuss geben. Das passte jedoch zum fürsorglichen Selbstverständnis der Regierung, die den kulturellen und sozialen Austausch der Bevölkerung förderte. Auch auf die Sicherheit legte die nationale Luftfahrtbehörde Wert, Flugzeuge und Personal wurden regelmäßig und rigoros überprüft.

So kam es, dass Chefpilot Chris Phatswe im August 1999 aus gesundheitlichen Gründen vom Fliegerarzt gegroundet wurde. Käpten Phatswe wollte das nicht wahrhaben und kämpfte gegen den Entzug seiner Fluglizenz. Zwei Monate lang setzte er alle Hebel in Bewegung, um die Entscheidung rückgängig zu machen. Er bestürmte den Fliegerarzt, den Präsidenten der Airline, alles vergebens. Dann kam der 11. Oktober 1999, der zum schwärzesten Tag in der Geschichte der Air Botswana wurde. Käpten Phatswe stahl am frühen Morgen eine der drei auf dem Vorfeld geparkten ATR-42, startete, verkündete dem Tower, dass er sich umbringen werde. Eilig wurde der Flughafen evakuiert. Die Fluglotsen und ein herbeigerufener Armeegeneral versuchten den Käpten zur Landung zu überreden, doch der sagte, er hätte mit dem Airline Management noch ein Hühnchen zu rupfen. Zwei Stunden lang ließ er über dem Flughafen „die Sau heraus“. Als der Sprit langsam zur Neige ging, drohte er das Flugzeug in den Bürotrakt der Airline zu steuern. Der Tower konnte ihn mit dem Hinweis auf unschuldige Menschen von diesem Vorhaben abbringen. Phatswe flog zum Abschluss noch zwei Loopings bevor er sich mit der Maschine mit 380 km/h in die geparkten ATR hinein stürzte. In einem Feuerball flog die gesamte Flotte der Airline in die Luft. Phatswe selbst war das einzige Todesopfer. Ironischerweise wurde jenes Jahr unversehens das wirtschaftlich beste seit Gründung der Airline, denn die Versicherung überwies 45 Millionen Dollar für den entstandenen Schaden.

von Andreas Fecker