Luftpost 63: Oh Shit!

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Massenstart eines deutschen Jetgeschwaders. In Rotten zu je zwei Flugzeugen starten zwölf Maschinen im Drei-Minutentakt zu einem Trainingsflug durch halb Deutschland.

Routinemäßig wird nach einer solchen Startphase die Piste von der Feuerwehr überprüft. Diesmal werden große Reifenteile auf der Bahn gefunden. Eiligst checkte die Technik alle Maschinen, die in der fraglichen Zeit auf dieser Airbase gelandet waren. Alle hatten intakte Reifen. Es musste also einer von denen sein, die gerade in der Luft waren. Ein Fighter hatte sich offenbar beim Start einen Reifenschaden gefangen. Also wies der Tower bei der Rückkehr alle Piloten an, gegenseitig ihr Fahrwerk zu überprüfen. So flog dann einer über das Cockpit des anderen und wechselte dann die Position. War alles okay, seilten sie sich zur Landung ab. Die Spannung stieg als immer weniger Flugzeuge in der Luft waren. Ein Pilot in der letzten Rotte erinnert sich: „Jens flog neben mir. Natürlich hatten wir den Funk mitgehört und wir wurden immer unruhiger, als die Checks der anderen negativ verliefen. Es konnte also nur noch einer von uns beiden sein, er oder ich. Wir fuhren unsere Fahrwerke aus, Jens verschwand unter mir. Dann kroch es mir eiskalt über den Rücken, als ich Jens sagen hörte: „Oh Shit!“

Ich bemühte mich ganz cool zu bleiben und fragte „Welches Rad ist es?“ Er antwortete, „Ich weiß nicht, dein Fahrwerk ist jedenfalls okay.“ Da begriff ich erst, dass sein trockener Kommentar bedeutete, dass er den Reifenschaden selbst haben musste. Als ich dann unter ihm flog und nach oben schaute, sah ich, dass sich auf seiner rechten Felge nur noch Reifenfetzen befanden. Weil die Bahn im Anschluss an eine solche Landung erst einmal gesperrt sein würde, wurde ich zuerst zur Landung hereingerufen. Jens ließ dann die rechte Seite der Piste im zweiten Drittel einschäumen und setzte den Bock gekonnt in den Schaum.“

Gut, dass der Tower die Reifenstücke vorher entdeckt hatte. Hätten wir ahnungslos und wie üblich eine Formationslandung Flügelspitze an Flügelspitze gemacht, wäre das nicht so glimpflich abgegangen. Womit wieder einmal bestätigt wäre: Umsicht ist der genetisch weibliche Elternteil eines Behältnisses mit Kaolinprodukten einer höheren Brenntemperatur.
Oder etwas verständlicher ausgedrückt: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

von Andreas Fecker