Luftpost 57: Der Fluglotse von Niuafo’ou

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Unser Autor im Alter von 14 Jahren in einem englischen Kloster – Foto: Bildarchiv Fecker

Mit Kevin Burke verbindet mich eine alte Freundschaft, die im Alter von 14 Jahren damit begann, dass mein Englisch so schlecht war. Deshalb vermittelten mir meine Eltern einen Sommeraufenthalt in einem englischen Kloster. Dort lernte ich Kevin kennen, einen jungen Pater, der mir als Betreuer zugeteilt wurde. Irgendwann verloren wir uns aus den Augen. Ich wusste allerdings, dass er als Priester nach Tonga gegangen war. Das Königreich Tonga besteht aus 176 Inseln im Südpazifik, von denen nur 36 bewohnt sind.

Einer von Kevins Nebenjobs in seinem Wirkungsbereich war der Betrieb einer Funkstation mit der Kennung A35KB. Als Seelsorger besaß er auch die Erlaubnis, außerhalb der Amateurfrequenzen zu arbeiten. Irgendwann wurde er nach Niuafo’ou versetzt. Vava’u, die nächste bewohnte Nachbarinsel liegt 200 km im Osten, nach Fiji oder Samoa waren es fast 500 km. Niuafo’ou ist die nördlichste Insel der Tongagruppe, kreisrund mit einem Durchmesser von acht Kilometern, einer Lagune in der Mitte und etwa 600 Einwohner. Das Ufer der vulkanischen Insel ist felsig und steil, einen Hafen gibt es nicht. Post wurde in Blechdosen eingelötet und von Schwimmern vorbeifahrenden Schiffen übergeben. Wegen der vielen Haie war das sehr gefährlich. Erst 1983 wurde deshalb ein kleiner Flughafen auf „Tin Can Island“ gebaut. Ein Meteorologe betrieb dort sogar eine Wetterstation.

Kevin Burke – Foto: Bildarchiv Fecker

Das Wetter entschied über die Versorgung der Insel und den Kontakt zur Außenwelt. Ein paarmal im Monat kam ein Flugzeug von Vava‘u. Einmal unterwegs war es für die Piloten lebenswichtig, dass sie über das zu erwartende Insel-Wetter auf dem Laufenden gehalten wurden. War der Point-of-no-return einmal überflogen, gab es keine Möglichkeit auf der langen Strecke anderswo zu landen. Aber das Funkgerät des Flughafens war schwach und hatte nur eine beschränkte Reichweite.

Die Lösung hieß Pfarrer Kevin Burke und seine Funkstation A35KB. Sowie er erfuhr, dass ein Flug geplant war, schwang er sich auf sein Motorrad, fuhr zum Airport, holte sich dort die Wettervorhersage, fuhr wieder ins Pfarrhaus und gab das Wetter dem Piloten durch. Er erfuhr auch, wann der Start erfolgte, und wann das Flugzeug am Punkt ohne Wiederkehr sein würde. Rauf aufs Motorrad, zum Airport, der Meteorologe gab ihm das genaue Wetter, zurück ins Pfarrhaus, ran an den Funk.

Auch der Rückflug wurde auf diese Weise unterstützt. Ein Jahr dauerte es, bis die Regierung am Airport ein leistungsfähiges Funkgerät installierte. Bis dahin durfte sich Pfarrer Burke als Dank für seinen Dienste jedes Mal ein paar Laib frisches Brot bei dem Piloten abholen.

von Andreas Fecker