Luftpost 56: Abschuss

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Foto: Bildarchiv Fecker

Noch ist unklar, wer den Startknopf für die Flugabwehrrakete gedrückt hat, die 298 Menschen das Leben kostete, ein Ukrainer, ein Russe oder ein ukrainischer Separatist. Wie zu erwarten weisen alle Konfliktparteien die Schuld von sich und bezichtigen die jeweils anderen. Es wird den Angehörigen nichts nützen. 193 Niederländer, 43 Malaysier, 27 Australier, 12 Indonesier, außerdem Briten, Belgier, Amerikaner, Deutsche kamen ums Leben. Sie alle hatten nichts mit diesem Krieg zu tun. Wieder einmal gerieten unschuldige Menschen zwischen die Fronten. Erinnerungen an KL007 mit 269 Opfern werden wach, den koreanischen Jumbo, der 1983 von einer MiG vor Sachalin abgeschossen wurde. Oder KL902, eine ebenfalls koreanische 707, die 1978 nach Beschuss auf einem zugefrorenen See in Sibirien notlanden konnte. Das Flugzeug war durch einen Navigationsfehler weit vom Kurs abgekommen. 2001 traf eine fehlgeleitete ukrainische Rakete bei Sotchi eine russische Tupolev auf dem Weg von Tel Aviv nach Novosibirsk. Sie kostete 79 Menschen das Leben. 1973 wurde eine libysche Boeing 727 mit einer französischen Besatzung über der von Israel besetzten Halbinsel Sinai abgeschossen. Eine Minute vor der rettenden Grenze zu Ägypten. Die vollbesetzte Maschine war mit ausgefahrenem Fahrwerk im Anflug auf Kairo, musste aber einen Sandsturm umfliegen. 106 Menschen verloren ihr Leben. Auch die Amerikaner können jetzt schlecht mit dem Finger auf andere zeigen. 1988 schoss der Raketenkreuzer USS Vincennes in der Straße von Hormus einen mit 290 Menschen besetzten iranischen Airbus A300 aus dem Himmel, der nicht auf Warnungen reagiert hatte.

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden 46 Flugzeuge vom Boden aus abgeschossen, 200 mit Kampfflugzeugen aus der Luft. Rechnet man Militärmaschinen nicht mit, sind es immer noch 89 abgeschossene Passagierflugzeuge mit ziviler Zulassung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass etliche Maschinen im Auftrag der Vereinten Nationen in Krisengebieten operierten, wo die verfeindeten Parteien keine Rücksicht auf den weißen Anstrich der UNO nahmen. Insgesamt starben seit Ende des Zweiten Weltkrieges durch Abschüsse ziviler Flugzeuge 2055 Menschen.

Zur menschlichen Tragödie kommt nun noch das nationale Unglück. Die MH370 der Malaysia Airlines ist noch immer nicht gefunden, da trifft es mit der MH017 die gleiche Airline schon wieder. Eine Fluggesellschaft, die bis vor kurzem noch für ihren Bordservice berühmt war, gerät immer tiefer in einen Strudel von Vorwürfen, seien diese nun berechtigt oder nicht. Allerdings lässt der zögerliche Auftritt der Firma bei diesen Katastrophenfällen reichlich zu wünschen übrig. Statt die Öffentlichkeit zu informieren, konnte man auf der Webseite von Malaysia Airlines noch immer den Flugstatus von MH017 abrufen. Selbst drei Stunden nachdem der Abschuss in allen Fernsehkanälen der Welt diskutiert wurde, war die vorausberechnete Ankunftszeit für Kuala Lumpur mit 06:09 Uhr des folgenden Tages angegeben. Allerdings steht darunter stets ein Vorbehalt: „Bitte beachten Sie, dass sich der Flugplan kurzfristig ändern kann.“

von Andreas Fecker