Luftpost 40: Luftbetankung

Werbung
Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Erstaunlich früh in der Geschichte der Fliegerei begann man Flugdauer durch Treibstoffaufnahme hinauszuschieben, ohne extra dafür zu landen. Bereits 1923, zu Doppeldeckerzeiten, fand eine Luftbetankung über einen Schlauch durch ein vorausfliegendes Flugzeug statt. Das Verfahren wurde immer mehr verfeinert und gipfelte schließlich in dem Rekord der Brüder Freddy und Algene Key. Sie landeten erst nach 27 Tagen, 84.000 Kilometern und 22.700 Litern Sprit. 653 Stunden und 34 Minuten waren sie in der Luft. Die beiden Brüder hatten für diesen Flug ein Luftbetankungssystem entwickelt, das später vom US Army Air Corps übernommen wurde.
Allerdings beschränkten sich diese Pioniere immer auf den gleichen Ort. Militärische Flüge über den Atlantik werden regelmäßig luftbetankt. Kampfflugzeuge mit schwerer Zuladung starten meist mit wenig Sprit und gehen sofort an den Tanker, der schon in der Nähe seine Kreise zieht. Die fliegenden Frühwarnsysteme AWACS, die ein Krisengebiet elektronisch überwachen, werden in Intervallen von 5 bis 8 Stunden mit frischem Treibstoff versorgt. Wie schmerzhaft es ist, wenn zum Beispiel die Seeaufklärer vom Typ P-3 Orion der australischen Marine keine Luftbetankungsmöglichkeit haben, wird der Öffentlichkeit gerade eben vorgeführt.

Das Suchgebiet für MH370 liegt 3000 km vor der australischen Küste. 3 Stunden hin, 3 Stunden zurück, da bleiben gerade mal 4 Stunden um ein Suchgebiet von der Größe Australiens zu befliegen. Vier Maschinen dieses Typs sind im Einsatz, verstärkt durch die luftbetankbare P-8 Poseidon der US Navy. Die Amerikaner betreiben ein weltweites System von derzeit etwa 1000 Tankflugzeugen. Manche davon sind bereits 45 Jahre alt und müssen bald ersetzt werden. Den Bieterwettstreit zwischen Airbus und Boeing entschieden die Amerikaner letztendlich für sich, allerdings mit einem Angebot, bei dem Boeing sicherlich kein Geld verdienen wird.

Eine geradezu legendäre Meisterleistung in diesem Geschäft war die Operation Black Buck während des Falkland Krieges. Die Engländer wollten verhindern, dass der Flughafen Port Stanley von Flugzeugen benutzt werden kann, die ihrer Seeflotte gefährlich werden könnten. Man stationierte also zwei Vulcan Bomber auf Ascension im Südatlantik, eine Insel, die zu Großbritannien gehört. Ascension ist 6.500 km von Falkland entfernt, zu weit um mit der Vulcan hin und zurück fliegen zu können, schon gar nicht mit einer Bombenlast von 10 Tonnen. Also verlegte man eine Victor Tankerstaffel nach Ascension.

Luftbetankung Stanley – Grafik: Archiv Fecker

Nun muss man wissen, dass die Royal Air Force zehn Jahre lang keine Luftbetankungen mehr geübt hatte, für viele Piloten war das Neuland. Die USA als weltweit größtem Betreiber von Luftbetankung hielten sich aus dem britisch-argentinischen Konflikt heraus. Während nun ein Betankungsplan für die lange Strecke nach Falkland und zurück ausgearbeitet wurde, trainierten die Briten das An- und Abdocken an fliegende Tanker. Der beste unter ihnen sollte den Einsatz fliegen, der zweitbeste sollte die Reservemaschine steuern und nach der ersten gelungenen Luftbetankung umkehren.

Eine Stunde vor Mitternacht startete der Pulk von 13 Flugzeugen in Ascension, die beiden Vulcans identisch betankt und beladen mit je 21 Startbahnbrechern mit einem Gewicht von je 450 kg. Das Schicksal wollte es, dass die erste Vulcan ein technisches Problem hatte und umkehren musste. Unvermittelt hatte nun die Reservecrew einem 16 Stundenflug mit sechs Luftbetankungen und einem Bombeneinsatz vor sich. Sie hatten nichts zu Essen und zu Trinken dabei.

Der Flug verlief hochdramatisch, schon weil die Victor Tanker und der Vulcan Bomber unterschiedliche Geschwindigkeiten hatten, weil die Höhen für die geplante Betankungen nicht passten und deshalb der Spritverbrauch höher war. Die fliegenden Zisternen mussten sich gegenseitig selbst betanken, damit der letzte Tanker kurz vor Falkland die Vulcan noch einmal für den Rückflug befüllen konnte. Die Spritübergabe klappte auch nicht reibungslos, der nächtliche Einsatz war an Dramatik nicht zu überbieten. Von den 21 Bomben trafen zwei die Startbahn, weil man einen leicht diagonalen Kurs gewählt hatte. Noch bevor die Vulcan nach einem nervenaufreibenden Rückflug in Ascension landete, waren die Krater bereits notdürftig repariert.

Dieser Einsatz beinhaltete 18 Luftbetankungen. 225 Tonnen Treibstoff wurden dabei zwischen den Flugzeugen übergeben. Sechs weitere Operationen folgten, es ging kein einziges Flugzeug dabei verloren. Der Flughafen von Port Stanley konnte nicht von den Argentiniern benutzt werden. Insofern war Operation Black Buck ein strategischer Erfolg. Dank Luftbetankung.

Wenn sich die eingangs erwähnten Key Brothers damals dachten, sie hätten einen Rekord für die Ewigkeit erflogen, sollten sie sich geirrt haben: Im März 1949 starteten Bill Barris und Dick Reidel mit einer langsam fliegenden Aeronca Chief ‚Sunkist Lady‘ zu einem längeren Unternehmen. Nach 1.008 Stunden und 1 Minute landeten sie wieder. Das ist eine Minute länger als sechs Wochen! Der Sprit wurde täglich in Kanistern von einem Jeep aufgenommen, der unter dem Flugzeug her raste. Auf dieselbe Art wurde auch Verpflegung an Bord geholt. Wie die Bordtoilette entleert wurde, ist nicht überliefert. Sechs Wochen in der Luft, sechs Wochen in einem kleinen unbequemen Cockpit! Sicherlich haben die Astronauten auf der ISS mehr Auslauf als Barris und Reidel in ihrer Sunkist Lady!

von Andreas Fecker