Luftpost 309: Immer wieder Cavalese

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Andreas Fecker – Foto: Fecker

Am 9. März 1976 gab es an der Seilbahn von Cavalese einen schweren Unfall: Ein starker Windstoß warf das Zugseil über das Tragseil der Gondel. Der Sicherheitsmechanismus funktionierte nicht mehr. Das Tragseil riss, die Gondel mit 42 Passagieren stürzte auf einen Steilhang und überschlug sich mehrfach. Nur ein kleines Mädchen überlebte. Ob der Unfall nach damaligem Stand der Technik und der Sicherheitsvorschriften vermeidbar war, soll hier nicht Gegenstand der Luftpost sein.

Auf jeden Fall war der folgende Fall vermeidbar. Vor 22 Jahren, am 3. Februar 1998 flog ein vorübergehend im norditalienischen Aviano stationierter US-amerikanischer EA-6B Prowler der Air National Guard im Tiefflug durch die Täler der Dolomiten. Bei Cavalese flog er dicht an den Berghängen entlang. Als der Pilot eine Rechtskurve einleitete, senkte sich die rechte Tragfläche und durchtrennte das Trag- und Zugseil der Alpe Cermis Seilbahn 110 m über dem Boden. Eine der Gondeln fuhr gerade talwärts und befand sich ca. 50 m oberhalb der Stelle, an der das Tragseil durchtrennt wurde. Die Kabine stürzte 100 m in die Tiefe, alle 20 Passagiere starben. Das beschädigte Flugzeug konnte nach Aviano zurückkehren und sicher landen. Die Maschine war zu schnell unterwegs und zu tief, eine Genehmigung für den Tiefflug war mit falschen Angaben erschlichen worden. Mindestflughöhe in diesem Gebiet wäre damals 600 m gewesen. Pilot und Navigator wurden von einem Militärgericht in North Carolina trotzdem freigesprochen, da die Seilbahn nicht in den Tiefflugkarten des US-Militärs eingezeichnet war.

Grumman EA-6 Prowler für Elektronische Kampfführung – Foto: US Navy

Die Empörung der Italienischen Bevölkerung war groß. Dort bezeichnete man das Unglück als das „Massaker von Cermis“. Als dann auch noch publik wurde, dass ein Besatzungsmitglied eine Videoaufnahme des Fluges vernichtet hatte, rollte man den Prozess neu auf. Diesmal erhielt der Pilot eine Haftstrafe von sechs Monaten, von denen er nur viereinhalb absaß. Das geringe Strafmaß belastete die diplomatischen Beziehungen zwischen Italien und den USA. Wieder in Freiheit wurde er unehrenhaft aus der Armee entlassen. Zwei Jahre lang dauerten die Verhandlungen über die Entschädigung. Schließlich zahlten die USA an jede der betroffenen Familien knapp 2 Mio Euro. Es war die höchste jemals in Italien gezahlte Abfindung. In Deutschland nahm man von dem Unglück wenig Notiz, weil im Kosovo Krieg herrschte und die Meldungen in der Flut der Ereignisse untergingen.

Andreas Fecker