Luftpost 302: Operation Zukunft

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Andreas Fecker – Foto: Fecker

Vorneweg ein paar Fragen: Kann es sein, dass wir gerade eine Zeitenwende erleben? Kann es sein, dass wir wie Eichhörnchen auf die Schlange starren, anstatt zu handeln? Kann es sein, dass wir als ältere Generation satt, zufrieden und bräsig unsere Errungenschaften genießen, während die nachwachsenden Generationen selbst schauen sollen, wo sie bleiben? Wir beklagen, dass der Generationenvertrag auf Grund der demographischen Entwicklung nicht mehr funktioniert, während wir gleichzeitig der Jugend im wahrsten Sinne des Wortes verbrannte Erde zurücklassen.

Jeder langfristig aufgestellte Wirtschaftsbetrieb braucht einen Plan für die nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahre. Kapital, Personal, Ausbildung, Material, Rohstoffe, Infrastruktur, Märkte müssen geplant und bearbeitet werden. Ohne ein Konzept für die nächsten zehn Jahre kann keine Airline Flugzeuge der richtigen Größe und in richtiger Anzahl bestellen. Ohne rechtzeitig die Infrastruktur bereitzustellen, steht man im Regen, ohne gut ausgebildetes Personal zieht die Konkurrenz davon, und ohne Geld kann man gutes Personal nicht bezahlen.

Uns wird Tag für Tag der Klimawandel vor Augen geführt. Ganz offenbar haben wir hier schon viel Zeit bei einer sozial- und wirtschaftsverträglichen Umstellung auf erneuerbare Energien verloren. Dass wir nicht von heute auf morgen an allen Flugzeugen die Tragflächen absägen können, ist jedem klar. So, wie sich die Weltwirtschaft in den letzten siebzig Jahren entwickelt hat, gehört Reisen zu unserem Leben. Aber jeder kann sich doch schon mal überlegen, ob der eine oder andere Fernurlaub oder Wochenendabflug wirklich notwendig ist?

Damit die vielseitigen Folgen menschlichen Verhaltens von den nachwachsenden Generationen überhaupt begriffen werden können, müssen wir jetzt unser Bildungssystem nachhaltig und zukunftsfähig machen. Wir müssen Lehrpläne entrümpeln, Lerninhalte auf den Prüfstand stellen, Schulfächer modernisieren, Werte neu vermitteln, Grundkompetenzen verstärkt unterrichten und unsere bröckelnden Schulen sanieren. Und es ist höchste Zeit dazu. Wir haben es mit veränderten Familien in einer sich verändernden Gesellschaft zu tun. Die Institution Schule hat diese Veränderungen vielfach nicht mitgemacht und arbeitet noch so wie vor zwanzig, dreißig Jahren.

Und wir brauchen motivierte Lehrer. Hier beginnt nämlich das nächste Fiasko. Wenn die Junglehrer und Seiteneinsteiger nicht fest angestellt, sondern pünktlich zu den Sommerferien freigestellt und zum Arbeitsamt geschickt werden, strapaziert man die Durchhaltefähigkeit einer ganzen Berufsgruppe. Zur Motivation trägt das nicht bei. Während des Schuljahres werden die Lehrer mit lernschwachen und inkludierten Schülern alleingelassen. Wer sich für den Lehrerberuf entscheidet, ist von Haus aus Idealist mit einem Sendungsbewusstsein. Er oder sie möchte für die Zukunft der anvertrauten Kinder arbeiten, letztlich auch für die Zukunft Deutschlands. Wenn der Arbeitgeber – in unserem Fall der Staat – nun diese Menschen Jahr für Jahr sechs Wochen aufs Trockene setzt, kapituliert er vor einem Sachzwang und signalisiert, dass er für die Zukunft unseres Landes eigentlich keinen Plan hat. Sparen ist materiell, Bildung ist immateriell. Deshalb sind die beiden Forderungen so schwer vereinbar. Das Ergebnis passt auch gar nicht in die Tradition eines Landes, das einst die berühmtesten Dichter, Denker, Forscher und Philosophen der Welt hervorgebracht hat. Wir zeichnen uns auf diesem Sektor vielmehr durch eine geradezu unterirdische Lese- und Rechtschreibkompetenz aus.

Stattdessen überraschen wir die Welt, dass ausgerechnet die Wirtschaftsmacht Deutschland – Made in Germany zum Trotz – noch nicht einmal einen Flughafen ans Netz bringen kann! Und nachdem ich meinem Herzen Luft gemacht habe, komme ich zum Kern dieser Luftpost: Die Kosten für den neuen Hauptstadtflughafen belaufen sich mit Zinsen mittlerweile auf 7,1 Milliarden Euro. Einen Großteil dieser Summe hätte der Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen gutgetan. Die Flughäfen Tegel und Tempelhof für den Europaverkehr zu ertüchtigen und alle wichtigen interkontinentalen Verbindungen über die Weltflughäfen Frankfurt und München zu führen, wäre auch ein kluger Schachzug gewesen.

Der Pleiteflughafen wird wahrscheinlich irgendwann einmal eröffnet und der Plan dafür stillschweigend hinterhergeschoben. Bleibt die Frage: Ist diese chaotische Planlosigkeit die Blaupause für die Bildung unserer Kinder?

Andreas Fecker