Luftpost 301: Feinstaub!

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Selbstversuch in Delhi – Foto: Archiv Fecker

Smog, CO2, Feinstaub, Dieselabgase, Fahrverbote, Luftverschmutzung, Flugverkehr, all diese Begriffe werden in den letzten Jahren munter durcheinandergewirbelt. 2007 beschloss die EU einen Zielwert. Für PM2.5 lag er bei 25 µg/m³, damals noch unverbindlich. 2015 wurde daraus ein Grenzwert, der ab 2020 auf 20 µg/m³ abgesenkt wird.

Der BUND beschreibt Feinstaub als Sammelbegriff für kleinste Partikel aus verschiedensten Quellen. Primärer und sekundärer Feinstaub kann aus natürlichen Quellen stammen oder von Menschen verursacht sein. Direkt emittiert wird er besonders durch Verbrennungsprozesse. Auch Asbeststaub gehört dazu. Sekundärer Feinstaub entsteht aus Ammoniak, oder Schwefel- und Stickoxiden. Feinstaub kann flüssige oder feste Substanzen enthalten und ist unterschiedlich groß. Gängige Bezeichnungen sind PM10, PM2.5 und PM1. Die Zahl drückt den Durchmesser in µm aus. Dabei ist der PM1 sogenannter Ultrafeinstaub mit einem Durchmesser zwischen 1 und 100 Nanometer (Millionstel Millimeter). In diese Kategorie fallen Rußpartikel und Viren. Dieselruß besteht aus lungengängigen Feinstpartikeln mit einem Durchmesser von weniger als einem Hundertstel Millimeter. Die kleine Größe macht es den Partikeln möglich, bis in die kleinsten Verästelungen der Lunge vorzudringen und sich dort anzusammeln. Aufgrund der geringen Partikelgröße und der potenziell krebserregenden Inhaltsstoffe gilt Dieselruß als besonders gesundheitsgefährdender Variante des Feinstaubs.

Hazardous – Gefährlich/bedrohlich. Feinstaub in Delhi am 2.12.2019 – Air Quality Index
Zum Vergleich: Feinstaub in München im gleichen Zeitraum – Air Quality Index

Die Luftverpestung in der indischen 20-Millionen-Metropole von Delhi war im November 2019 häufig Gegenstand von Nachrichten und Auslandsberichterstattung. Die Sicht auf den Straßen war manchmal so schlecht, dass man sogar Omnibusse erst im letzten Augenblick erkannte. Anfliegende Flugzeuge wurden zu anderen Flughäfen umgeleitet, weil die Sicht unter die Minima fiel. Lungenkrankheiten und Sterberate stiegen an. Zum Vergleich: An der Friedberger Landstraße in Frankfurt lag der PM10-Wert im gleichen Zeitraum bei 14, in München bei 9 und in New York City sogar bei 1.

Die familienfreundlichen Inder reisen nun mal viel. Verwandtschaften werden gepflegt. Hochzeiten mit tausend Gästen sind keine Seltenheit. Der Eisenbahnverkehr ist immer wieder durch katastrophale Zugunglücke belastet. Deshalb boomt der Luftverkehr. Die 2006 gegründete Low Cost Airline Indigo verdrängte andere Fluggesellschaften vom Markt und fliegt derzeit mit 250 Maschinen vornehmlich Inlandsrouten. Der Carrier hat bei Airbus kürzlich 700 Neos aus der A320 Familie bestellt. Das ist eine Hausnummer, wie man sie bei uns nicht kennt. Die Airline hat eine derart hohe Auslastung, dass auf bestimmten Strecken kurzfristig gar kein Sitz mehr zu bekommen ist. Der Flughafen von Delhi baut derzeit an einer vierten Startbahn und erweitert den Flughafen um ein viertes Terminal. Nur so lässt sich Nachfrage und steigender Verkehr bewältigen.

Nun könnte man meinen, rund um den Flughafen müsse die Feinstaubkonzentration logischerweise am höchsten sein. Mitnichten. Es sind die Industrie und die neun Millionen Autos in der Hauptstadt, die die Luft über der Metropole verpesten und alle Grenzwerte um das zehnfache übersteigen. Dabei ist die Luft rund um den Flughafen noch am besten, obwohl dieser mitten in der Stadt liegt. Bei einem Selbstversuch im Rahmen einer beruflichen Reise nach Delhi verspürte ich Hustenreiz und tränende Augen. Man kann sich zwar durchaus auch ohne Maske im Freien aufhalten, muss aber wissen, dass krebserregender Feinstaub keine Rücksicht auf eitle oder bequeme Menschen nimmt.

Das Taj Mahal in Agra, Indien. Trotz Bannmeile ist der Feinstaubwert hier an manchen Tagen noch höher als in Delhi – Foto: Fecker

Der öffentliche Nahverkehr in Delhi, vom Omnibus bis zum Tuk-tuk ist größtenteils auf Gasantrieb umgestellt. Rund um das Taj Mahal gibt es eine Bannmeile für Verbrennungsmotoren von 2 km. Nur Fahrradrikschas und Elektrofahrzeuge dürfen sich dem Eingangsbereich näheren. Wie aber wird in Indien der Strom erzeugt? Vornehmlich durch schmutzige Braunkohlekraftwerke. Bis 2020 soll der Braunkohleabbau sogar noch auf 1,5 Milliarden Tonnen pro Jahr verdoppelt werden. Und nicht nur Delhi, sondern auch die anderen Millionenstädte auf dem Subkontinent sind Brennpunkte verpesteter Luft. Windkraft ist keine Lösung, weil dort selten ein Lüftchen weht. Es bleibt großflächige Solarenergie, deren Panele aber umwelttechnisch auch nicht zum Nulltarif erhältlich sind. Traditionell brennen die Bauern seit jeher auch noch ihre abgeernteten Felder ab, um eine fruchtbare Grundlage für die neue Aussaat zu legen. Damit werden die Ergebnisse umweltfreundlicher Energiegewinnung schon im Ansatz konterkariert.

So entspannt und positiv dieses gastfreundliche Volk das totale Chaos auf den Straßen erträgt, so selbstverständlich es Hi-Tech, Komfort, Luxus und Fünf-Sterne-Hotels in Anspruch nimmt und stattdessen die täglichen Schwierigkeiten weglächelt, so heftig schlägt die Natur mittlerweile auf allen Kontinenten zurück. In der Zeit des Klimawandels ist die Botschaft von Mutter Erde an uns Menschen: „Auch wenn die Bibel hundertmal sagt ‚Machet euch die Erde untertan …‘ Da hat jemand etwas falsch verstanden. Ich habe die Schnauze voll!“

Andreas Fecker

(siehe dazu Kommentar)

 

2 Antworten zu “Luftpost 301: Feinstaub!”

  1. Karl Seiler sagt:

    Lieber Andreas,
    kleine Korrektur: Die Masse der großen grün-gelben Tuk-Tuks fährt seit etwa 10 Jahren mit Erdgas, international CNG (Compressed Natural Gas) genannt. Nur wenige kleinere Tuk-Tuks, maximal 6 Plätze, fahren Batterie-elektrisch und haben, nach meinem Eindruck vor Ort aber deutlich weniger Leistung und Reichweite. Elektrische Oberleitungs-Busse sah ich nicht und auch Batterie-elektrische Busse fast nicht – dafür aber zumindest einige Busse mit Gasantrieb und den Tanks auf dem Dach. Für CNG-Einsatz in Pkw wird auch geworben, entsprechend aus-/umgerüstete Fahrzeuge bewegen sich aber auch erst im einstelligen Prozent-Bereich.

  2. Andreas Fecker sagt:

    Zu meinem etwas flapsigen Schlusssatz hat mir meine Schwester einen ernsthaften Kontrapunkt als Ergänzung geschickt:

    „Ich weiß nicht, ob Du Dich schon einmal für die Enzyklika von Papst Franziskus „Laudato si“ interessiert hast. Franziskus nimmt darin fast eine Vorreiterrolle für den gesamten Komplex Bewahrung der Schöpfung, Sorge für Mutter Erde, Umweltverschmutzung, die menschliche Wurzel der ökologischen Krise etc. etc… ein.
    Er erklärt auch u. a. im Kapitel Evangelium von der Schöpfung bes. im Abschnitt 67 die Fehlinterpretation des Satzes Macht euch die Erde untertan
    Du findest den Text der gesamten Enzyklika als PDF zum Herunterladen, herausgegeben von der Deutschen Bischofskonferenz, aber auch einzelne Passagen von Franziskus kommentiert oder von anderen zusammengefasst. Es lohnt sich! Es sind z.T. sehr schöne Texte, die von der Würde der Schöpfung, aller Geschöpfe und dem gegenseitigen Geben und Nehmen.
    Liebe Grüße, Annette“