Luftpost 30: „Schwarze Listen“

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Wer schützt uns im Urlaub, dass wir plötzlich in eine Maschine steigen, die man nach äußerem Augenschein als fliegenden Schrotthaufen bezeichnen muss? Seit März 2006 gibt es eine gemeinschaftliche Liste der EU, die Problem-Airlines und Aufsichtsbehörden benennt, die die Sicherheitsstandards der ICAO nicht erfüllen.

Steht man jedoch in Jakarta auf dem Flughafen und beobachtet die neuesten Modelle der Boeing 737-800 der indonesischen Lion Air in glänzendem Weiß, öffnet sich das Herz des Vielfliegers. Lion Air ist ein Low Coster, der es so richtig krachen lässt. Im Jahr 2000 gegründet, hat sich die Airline über Südostasien ausgebreitet. Das Durchschnittsalter der aktiven Flotte von etwa einhundert Boeing 737 liegt (01/2014) bei unter 5 Jahren, 21 Boeing 738 sogar bei 1,1 Jahren. Ein halbes Tausend weitere nagelneue Mittelstreckenflugzeuge sind bei Boeing und Airbus bestellt. Trotzdem steht die Airline auf der Gemeinsamen Liste der Fluggesellschaften, die aus Gründen der Sicherheit nicht auf dem Territorium der Europäischen Union betrieben werden dürfen. Wie kann das angehen?

Für den sicheren Betrieb einer Airline sind zwei Dinge erforderlich: Die Airline muss den ICAO Sicherheitsstandards entsprechen und alle Auflagen erfüllen. Das reicht vom Zustand der Maschinen, über die Ausbildung des Personals bis zum Vorhandensein einer lückenlosen Dokumentation. Das zweite ist eine staatliche Aufsichtsbehörde, die fachlich und personell in der Lage ist, die im jeweiligen Land registrierten Airlines und Fluggeräte zu überwachen. Bleibt eine nationale Luftfahrtbehörde diesen Nachweis schuldig, trifft der Bann erst einmal sämtliche Fluggesellschaften ihres Landes.

http://ec.europa.eu/transport/modes/air/safety/air-ban/doc/list_de.pdf

Dass etwas mit dem Flugsicherheitsverständnis in dem Staat mit den 17.000 Inseln und den 240 Millionen Einwohnern nicht funktioniert, sieht man an seiner Unfallstatistik. Allein in den letzten 13 Jahren wurden in Indonesien 81 Unfälle mit Luftfahrzeugen bekannt, 38 davon mit Todesopfern. Lion Air war mit 7 Totalschäden beteiligt.

Natürlich kann eine Airline bei der europäischen Flugsicherheitskommission eine Rehabilitation beantragen, wenn sie sich zu Unrecht auf dieser Liste sieht, weil sie nach ihrer Ansicht alle Sicherheitsnormen erfüllt. Sie wird dann nach Prüfung durch die EU von der Liste gestrichen. Eine Handvoll indonesischer Airlines haben das geschafft: Garuda Indonesian, Airfast Indonesia, Mandala Airlines, Ekspres Transportasi Antarbenua und Indonesia Air Asia. Trotzdem verbleiben noch 55 indonesische Gesellschaften auf der Liste.

Hier kommen natürlich auch nationale Aspekte ins Spiel. In vielen Fällen sind die betroffenen Luftfahrtbehörden in ihrem Selbstverständnis und ihrem Stolz verletzt. Bisweilen wurde auch schon erwogen, im Gegenzug europäische Airlines auszusperren oder zu schikanieren. Das würde aber zu empfindlichen Nachteilen für den Tourismus im Land führen, weshalb solche Maßnahmen schnell wieder verworfen werden.

Die europäische Flugsicherheitskommission räumt den betroffenen Airlines allerdings auch das Recht ein, bestimmte Maschinen von dem Bann auszunehmen. Sie muss dann nachweisen, dass zum Beispiel durch Wet-Lease in einem Drittland Flugzeug, Crew und Wartung den ICAO Sicherheitsstandards entsprechen.

Eine Airline, die auf der Gemeinschaftlichen Liste der EU steht, könnte auch sagen, was interessiert uns Europa? Wir fliegen in einem ganz anderen Teil der Welt. Vom Prestigeverlust einmal abgesehen, hat die Liste aber sehr wohl Auswirkungen bis in das betreffende Land. Codeshareflüge mit europäischen Airlines sind dann nicht mehr möglich. Pauschaltouristen, die ihre Reise auf einem Flughafen der Europäischen Gemeinschaft beginnen oder beenden, sind so früh wie möglich über die Identität der Airlines, in Kenntnis zu setzen, die mögliche Teilstrecken durchführen. Sollte nachträglich ein Wechsel zu einem gelisteten Unternehmen stattfinden, kann der Reisende selbst entscheiden, ob er diesen Teil des Fluges antritt oder nicht.

Ein weiterer Haken sind die Überseeterritorien der EU. Besonders Frankreich hat mit Mayotte, Réunion, Französisch Polynesien, Französisch Guyana und einigen karibischen Inseln zahlreiche angeflogene Reiseziele über den Globus verteilt, die diesen Airlines damit verschlossen blieben. Das trifft besonders viele afrikanische Fluggesellschaften. So sind zum Beispiel derzeit alle Luftfahrtunternehmen in der Zuständigkeit der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden der Demokratischen Republik Kongo, Angola, Sierra Leone, Gabun, Mosambik oder Benin vom Betrieb auf EU Territorium ausgeschlossen. Das betrifft alleine auf dem schwarzen Kontinent über hundert Fluggesellschaften, von denen etliche über Jahrzehnte Kontakt zu den Ländern der früheren Kolonialmächte hielten!

Dass Afrika anders tickt, erzählte mir einst ein ICAO-Berater, der in einem hier nicht näher genannten afrikanischen Staat die Flugsicherung aufbauen sollte. Den Wahrheitsgehalt konnte ich nie nachprüfen, aber ich glaube dem Mann, denn er hatte viel Erfahrung und ist schon weit herumgekommen. Hier seine Geschichte:

„Es war nach irgendeinem Bürgerkrieg. Die Vereinten Nationen schickten Berater aus allen Sparten des Lebens und der Wirtschaft ins Land, um den gebeutelten Menschen zu helfen. Mein Freund, ein indischer Fluglotse, führte ein Auswahlverfahren für die Flugsicherung in der Hauptstadt des Staates durch. Es war im Wesentlichen ein englischer Sprachtest, ein paar Intelligenztests, er prüfte die Merkfähigkeit und trennte so die Spreu vom Weizen. Trotzdem waren am Schluss noch doppelt so viele Anwärter da als notwendig. Um die Situation zu retten versprach er, die nicht berücksichtigten Anwärter als Techniker ausbilden zu lassen.
So geschah es, Lehrer wurden aus dem Ausland angefordert, die die zukünftigen Fluglotsen unterrichteten, damit sie irgendwann den Dienst übernehmen konnten, den solange ausländische Controller verrichteten. Das Gleiche passierte mit den designierten Technikern.
Nach einem Jahr übernahmen die örtlichen Fluglotsen die Geschäfte im Tower. Doch ein halbes Jahr später rebellierten die Techniker und verlangten, dass die Gruppe jetzt lange genug im Tower gesessen hätte und dass sie jetzt dran wären.
Alles war entsetzt über das Ansinnen. Die stolzen Controller im Tower dachten nicht im Traum daran, den Tower zu verlassen. Eines Nachts zerhackten die nicht weniger stolzen Techniker alle Kabel, die zum Tower und zu den Sendeanlagen führten.
Auf einem Zettel, der an einem der Tatorte gefunden wurde, stand „Wenn wir nicht auf den Tower können, macht Euren Kram alleine.“
Keiner der Techniker war mehr zu finden. Sie waren alle in den Busch zurückgegangen.“

von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 30: „Schwarze Listen“”

  1. Nachdem ich per Mail gefragt wurde, ob der Leopard Mundgeruch hatte, will ich das doch aufklären. Es ist eine Montage. Beide Fotos wurden zwar in Südafrika aufgenommen, nur nicht gleichzeitig!!