LUFTPOST 27: Nachruf auf eine Legende

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Im Verlauf des Jahres 2013 starb Dieter Schmitt. Der bescheidene Mann mit den lustigen Augen wurde 1924 in Heidelberg geboren. Mit 14 machte er seinen Flugschein. Am Ende seines Lebens konnte auf 101 offizielle Weltrekorde zurückblicken. Der Oberstleutnant d.R. hatte schon alles geflogen, von der einmotorigen bis zur viermotorigen, Segelflugzeuge, Propeller- und Turbinenmaschinen, Land- und Wasserflugzeuge. Er flog 1978 als erster Pilot in einer einmotorigen Maschine von Anchorage, Alaska über den Nordpol bis nach München, 8200 km, nonstop in 33 Stunden. Er überquerte den Pazifik auf der Route, auf der Amalia Earhart scheiterte, er brachte Flugzeuge in alle Kontinente. Er flog Nonstop von Grönland nach Heidelberg, er überführte als Ferry Pilot 357 Flugzeuge von den USA über den Nordatlantik nach Europa. Er ist der einzige Nichtamerikaner, der für seinen Lindbergh-Gedächtnisflug mit der Lindbergh-Memorial-Medaille geehrt wurde. Tatsächlich durfte er Charles Lindbergh auch zu seinen Freunden zählen.

Dieter Schmitt – Foto: Bildarchiv Fecker

Rückschläge konnten ihn nie aufhalten. Er war Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg auf Fw 190 und Me 262. Er wurde zweimal abgeschossen. Einmal überschlug sich sein Flugzeug bei der Landung, Schmitt brach sich dabei die Wirbelsäule. Jedes Mal fand er den Weg zurück ins Cockpit. Er gründete 1965 seine eigene Firma „Trans World Ferry“ und spezialisierte sich auf weltweite Flugzeugüberführungen. Er erwarb den Linienpilotenschein (ATPL) und die Testpilotenlizenz 1. Klasse. Schmitt entwickelte zwischen 1964 und 1988 ein eigenes Hochleistungsflugzeug mit einer Reichweite von 50.000 Kilometern. Daimler stellte zeitweise einen Teststand zur Verfügung, wo Motor und Antriebswelle Langzeit-getestet wurden. Als der Stuttgarter Konzern nach einer Umorganisation aus dem Projekt ausstieg, fehlte das Geld, und Schmitt gab die Fertigstellung auf. Mit dem Flugzeug hätte er nonstop die Welt umrunden können. Als Dick Rutan und Jeana Yeager 1986 zu zweit die erste Nonstop Weltumrundung schafften, ließ auch die Motivation für Sponsoren nach. Doch sollte es bis 2005 dauern, bis Steve Fossett die erste Solo-Nonstop-Weltumrundung ohne Luftbetankung oder Zwischenlandung gelang.

Nichtsdestotrotz schaffte es Schmitt in den exklusiven Club der Earthrounder mit zwei Erdumrundungen (1994 und 1997). 2000 war er einer der Stars von Oshkosh, der größten Flugshow der Welt. Wenn er Flugzeuge nach Südamerika überführte und er irgendwo zwischenlanden musste, verbrachte er schon mal die eine oder andere Nacht im Gefängnis, weil sich seine geplante Ankunft nicht bis zum letzten Ordnungshüter herumgesprochen hatte. Dieter Schmitt kannte tausende von Flughäfen in der ganzen Welt, von Hongkongs Kai Tak bis Wake Island, von Majuro bis Tahiti, von Auckland bis Anchorage, von Gander bis Kapstadt. 160 Publikationen, unzählige Vorträge, Fernsehfilme und Auszeichnungen markierten sein Leben. 1985 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

In seinem Heidelberger Studio fühlte man sich wie in der Flugberatung eines Weltflughafens. AIP’s (Flugplanungsunterlagen) von allen Kontinenten, eine zehn Meter lange Kartenwand, ein Propeller seiner Fw 190, Lampen aus den Nachbrennertöpfen von Starfightern füllten eine ganze Etage. In seinem Buch „Nordpolflug“ fasste er seine Erinnerungen an ein Fliegerleben zusammen, das reichhaltiger kaum sein könnte. Am Ende seines Lebens hatte er 25.000 Flugstunden in seinem Log stehen. Er hatte 333 Flugzeugtypen geflogen. Mit Dieter Schmitt verließ uns nicht nur ein Luftfahrtpionier sondern auch ein Vorbild für Bescheidenheit.

von Andreas Fecker