LUFTPOST 26: Übergewicht

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Privatheit gegen Aufpreis. Die Business Class von Air New Zealand lässt einen Disput über einengende Armlehnen erst gar nicht aufkommen. Foto: Bildarchiv Fecker

Franziska Müller steht am Flughafenschalter um für ihren Flug nach Kapstadt einzuchecken. Vor ihr stellt ein etwas adipöser Herr, den sie auf 180 kg schätzt, seinen Koffer auf die Waage. Mit 20 kg erhält er reibungslos sein Ticket mit dem Gepäckabschnitt, und geht schnaufend zum Gate. Franziska hofft ihrerseits, dass ihr Gepäck nicht zu schwer ist. Und tatsächlich, es wiegt 25 kg. Damit ist ein Aufpreis fällig, der etwa 1% des Erste-Klasse-Tickets pro Kilo Übergewicht entspricht. Franziska ist außer sich. „Ich wiege 65 kg, mein Koffer wiegt 25 kg, macht zusammen 90 kg. Der Herr vor mir bringt sogar ohne Koffer mindestens das Doppelte auf die Waage! Das ist doch nicht gerecht!“

Es kam noch schlimmer. Franziska bekam einen Mittelsitz. Rechts neben ihr der gewichtige Fluggast vom Schalter, links neben ihr eine Dame, deren Hautfalten ebenfalls über die Armlehne quollen. Franziska war eingeklemmt. Mit hochgezogenen Schultern und nach vorne gestreckten Armen ließ sie sich von geschätzten 300 kg Lebendgewicht von zwei Seiten anwärmen. Vergeblich versuchte sie einen Mitleid heischenden Augenkontakt mit den vorbeihuschenden Flugbegleitern herzustellen, ohne Erfolg. Sie kämpft ihre aufsteigende Panik nieder. Nach dem Start stand sie auf, um ihre eingepferchten Glieder wieder in ihre ursprüngliche Lage zu bringen. Wie sie wieder zurückkam, waren die Armlehnen hochgeklappt und ihr Sitz war belegt von den beiden übergewichtigen Menschen. Die Blicke, die sie von den beiden erhielt, waren geradezu vorwurfsvoll.

Franziska verstand die Welt nicht mehr: Wegen lächerlichen 5 kg Übergepäck hatte sie mehr gezahlt als diese beiden Passagiere, deren Zusatzgewicht die Airline bestimmt 800 Dollar zusätzlich an Kerosin kosten würde.

Warum gibt es an Flughäfen keine kombinierte Personen- und Gepäckwaagen, wo der Passagier mit seinem gesamten Lebendgewicht plus Gepäck und Wintermänteln gewogen wird? Man könnte dann den Zielflughafen und die Beförderungsklasse eingegeben, möglichst auch noch die gewünschte oder benötigte Sitzbreite, und der Computer berechnet einen gerechten, verbrauchsabhängigen Reisepreis. Es wäre eben nicht diskriminierend, wie so oft argumentiert wird. Denn so wie es jetzt gehandhabt wird, reisen in unserer – warum auch immer – zunehmend zur Adipositas neigenden Gesellschaft immer mehr Dicke auf Kosten der Normalgewichtigen, deren Reisekomfort sie obendrein auch noch einschränken.

Air Samoa im Südpazifik macht es uns vor: Die Airline verlangt seit Ende 2012 Ticketpreise abhängig vom Körpergewicht der Passagiere. Denn Samoa hat laut WHO weltweit einen der höchsten Anteile von Fettleibigen in der Bevölkerung. In Deutschland diskutieren wir über Toilettengebühren in Flugzeugen. In Japan werden Passagiere gebeten, ihr Münzgeld noch im Flughafen zu verbrauchen, damit das Gesamtgewicht der Münzen in den Hosentaschen der Passagiere nicht mehr Kerosin verbraucht als notwendig. Korean Airlines bietet seinen Australien-Passagieren an, die Wintermäntel im Flughafen Incheon für 14 Tage kostenlos einzulagern um Gewicht zu sparen. Nur an den gewichtsabhängigen Ticketpreis traut sich bei den etablierten Airlines noch niemand heran. Es wäre der Gesundheit und der Reisekasse des Einzelnen sicher nicht abträglich, ein paar Kilo abzutrainieren und nebenbei auch noch ein paar Geldscheine beim Reisepreis einzusparen. Auf jeder Reise.

von Andreas Fecker

2 Antworten zu “LUFTPOST 26: Übergewicht”

  1. Michael König sagt:

    Dieses Thema ist sicherlich eine Diskussion wert. Bekanntlich hat jedoch jede Medaille 2 Seiten. Wären die 2 übergewichtigen Personen 2 kraftstrotzende Bodybuilder mit einem Körperfettanteil von unter 10% und dennoch jeweils über 115 Kg schwer wäre möglicherweise die Dame dahingeschmolzen und wir Leser um einen Artikel ärmer.

  2. Wahrscheinlich hätte der Artikel dann seinen Weg in ein ganz anderes Forum gefunden! Oh du Fröhliche!