Luftpost 227: Luftfahrtsprachen

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Eine Boeing 787 der Air Canada befand sich am 18. September 2017 auf dem Nonstopflug von Toronto nach Mumbai im Endanflug auf den indischen Flughafen. Wegen einer Notlage am Boden musste die Air Canada ein Fehlanflugverfahren einleiten und Warteschleifen fliegen. Nach einer Stunde beschlossen die Piloten, nach Hyderabad auszuweichen. Dort erhielten sie jedoch keine Anflugfreigabe wegen Überfüllung des Luftraums. Die Crew erklärte ihre prekäre Treibstoffsituation, wurde aber offenbar nicht verstanden. Zeit, die Notlage mit einem MAYDAY deutlich zu machen. Trotzdem ließ man die Maschine kreisen und versuchte ihnen weitere Ausweichflughäfen schmackhaft zu machen. Die Crew bestand hartnäckig darauf, in Hyderabad zu landen. Insgesamt viermal erklärte Air Canada Luftnotlage bis man ihr den Anflugweg nach Hyderabad freiräumte. Die Maschine konnte dort sicher landen. Aus dem 14-Stunden-Flug waren 17 geworden! Auf der Flugsicherheits-Website des Aviation Harald nehmen Piloten aus allen Ländern den Zwischenfall zum Anlass, über ihre Erfahrungen mit der indischen Flugsicherung zu erzählen.

Geht nicht jeder von uns davon aus, dass die Luftfahrtsprache schlechthin Englisch ist? Englisch ist doch der gemeinsame Nenner, der Piloten und Fluglotsen in aller Welt verbindet. Oft sind Piloten internationaler Airlines empört, wenn über Frankreich Französisch, über Spanien und Südamerika Spanisch, und im weiten russischen Luftraum russisch gesprochen wird! Die ICAO hat sich der Realität angepasst und erkennt mittlerweile folgende Sprachen als offizielle Luftfahrt-Arbeitssprachen an: Englisch, Französisch, Spanisch, Mandarin-Chinesisch, Russisch und Arabisch.

Das bedeutet allerdings mitnichten, dass man sich im deutschsprachigen Raum eine Sprache aussuchen und beispielsweise die Kommunikation zwischen Flugzeug und Bodenkontrolle auf Arabisch durchführen kann. Die ICAO schreibt dazu im Annex 10: Die Kommunikation hat in der Sprache stattzufinden, die am Boden gesprochen wird oder auf Englisch. Englisch muss zur Verfügung stehen, wenn die örtliche Sprache dem Piloten nicht geläufig ist. Für ein europäisches Land mit starkem internationalem Luftverkehr kann dies nur bedeuten, alle Controller müssen Englisch sprechen. Es ist aber selbst in Flugsicherungskreisen ein weit verbreiteter Irrtum, dass es Fluglotsen oder Piloten verboten sei, etwas anderes als Englisch zu sprechen.

Die ICAO berücksichtigt sogar, dass die Sprache am Boden gar nicht die Landessprache ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass in China statt der ICAO Sprache Mandarin-Chinesisch auch Kantonesisch gesprochen werden darf. Das betrifft ganz besonders die Region Südchina, mit zahlreichen Millionenstädten wie Guangzhou (dem ehemaligen Kanton), Shenzen, Zuhai, Wuzhou, Guilin, Nanning und viele andere, die allesamt ein hohes Verkehrsaufkommen mit regionalen Airlines haben. Und mittendrin liegt Hongkong als internationaler Megahub, wo selbstverständlich jeder Pilot erwartet, auf Englisch angesprochen zu werden, wo aber auch Piloten chinesischer Geschäftsflieger schon mal Mandarin erwarten. Es ist also keineswegs so, dass sich Englisch als alleiniger Standard weltweit durchgesetzt hat. Das wäre zwar schön, wird aber wohl nie ganz verwirklicht werden. In diesem Job ist festzuhalten, dass die Sprache das einzige Medium des Fluglotsen ist, den Verkehr zu steuern.

In den 1970er Jahren hatte ein Anwalt mit Privatpilotenlizenz sein erstes Erlebnis mit der Frankfurter Flugsicherungswelt. In vorschriftsmäßigem Luftfahrtenglisch meldete er sich in der Nähe von Darmstadt mit Rufzeichen, Flugzeugtyp, Flugroute und Höhe und erbat den Durchflug durch die Frankfurter Kontrollzone. Und das auch noch während der Rush-Hour. Den Call hatte er sich vorher lange zurechtgelegt und geübt, und er war richtig stolz auf sich selbst, ihn so fehlerlos trotz seines schwäbischen Akzents herausgebracht zu haben. Er kam sich jedoch wegen des großen Betriebs auf der Frequenz zwischen all den Lufthansas und Pan Am‘s und TWA‘s etwas deplatziert vor, wie er nachträglich bemerkte. Die Quittung kam auch prompt. Aus seinem Bordlautsprecher tönte nur ein barsches „Hau ab!“

Von Andreas Fecker

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