Luftpost 211: LEG, BODY, LEG

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Foto: Bildarchiv Fecker

Sind Sie ein ABP? Ja? Dann wissen Sie sicher, was „LEG, BODY, LEG“ bedeutet! Nein? Das sind die Kommandos, die Sie den PAXEN zurufen, die mit Panik in den Augen durch „IhrenOWE das Flugzeug verlassen müssen. Nie davon gehört? Klar, das kam jetzt alles ein wenig plötzlich. Aber genauso plötzlich könnten Sie in die Situation als ABP geraten, ohne das vorher zu wissen. Sortieren wir nun mal alles der Reihe nach:

Die Sitze am Notausgang von Flugzeugen sind bekanntlich begehrt, weil man ein wenig mehr Beinfreiheit hat. Dass sich dort die Rückenlehnen nicht verstellen lassen, nimmt man gerne in Kauf. Im Zeitalter vermehrter Adipositas sind diese Sitze allerdings auch bei beleibten Passagieren begehrt, wobei wir zu den ABP’s kommen. Die Abkürzung steht für Able Bodied Passengers. Das sind Passagiere, die eine drahtige Figur haben, keine Behinderung, nicht zu jung, nicht zu alt, kräftig aussehen, und denen man zutraut, anderen Passagieren, im Airline Jargon PAXE genannt, durch das Notausgangsfenster zu helfen. Sie müssen Englisch verstehen, möglichst auch die Landessprache der Airline und Sie sollten nicht den Eindruck machen, als würden Sie schnell in Panik geraten.

Briefing für Notausgang – Foto: M. Fecker

Nachdem man an einem solchen Notausgang Platz genommen hat, überzeugt sich – zumindest bei den gewissenhaften Airlines – ein Flugbegleiter von dem Sprachverstehen und überreicht ein schriftliches Briefing über die Aufgaben, die auf den Passagier in dieser Sitzreihe zukommen könnten. Dazu gehört das Öffnen der Fensterklappe zum Over Wing Exit (OWE), die je nach Flugzeugtyp zwischen 15 und 27 kg wiegen kann. Nach Aufforderung des Kabinenpersonals – und nur dann – zieht man den oberen Griff heraus, nimmt die Klappe nach innen und wirft sie durch die Öffnung nach draußen. Dann steigt man hinaus, Bein-Körper-Bein. Auf der Tragfläche sind Pfeile, die den weiteren Fluchtweg zur Notrutsche nach vorne oder nach hinten weisen. Doch HALT! Aufgabe des Notausganghelfers ist es, auf dem Flügel stehen zu bleiben und den nachdrängenden Passagieren herauszuhelfen. Da sich so mancher Mensch bei diesen Turnübungen unbeholfen anstellt, wird man das eindringliche „LEG-BODY-LEG“ oder „BEIN-KÖRPER-BEIN“ oft wiederholen müssen. Man wird sich auch darauf einstellen müssen, dass man manche Passagiere zur Eile mahnen muss, weil sie versuchen, noch ein Handyvideo zu drehen oder den Exit mit ihrem Handgepäck verstopfen.

Notausgang A320 – Foto: Airbus

Obwohl also auf die ABP‘s in der Exit Row am OWE im Ernstfall Pflichten zukommen, die die Airline von ihnen erwarten darf, sind diese geräumigen Sitzreihen für manche Airlines eher Quellen der Begierde und Gegenstand zusätzlicher Einnahmen, als ein Ausdruck gewissenhaften Sicherheitsempfindens. Die Sitzreihen werden schon mal als Premiumprodukt bezeichnet und gegen einen Aufpreis wegen der „Extra Beinfreiheit“ teurer verkauft. Ich bin sicher schon tausendmal in allen Teilen der Welt geflogen, mit 70 Jahre alten Kleppern genauso wie mit dem letzten Schrei von Airbus, Embraer oder Boeing. Trotzdem habe ich einen solchen Ernstfall noch nie erlebt. Ich durfte stets mit Würde und einem freundlichen Abschied durch die geöffnete Tür das Flugzeug verlassen. Aber … man weiß ja nie, und die Urlaubszeit steht bevor. Deshalb finde ich es gut, vorher mal in Ruhe darüber geredet zu haben.

Von Andreas Fecker