Luftpost 209: Air Berlin USA

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Andreas Fecker – Foto: Fecker

Leonard und Evelyn Lundgren lebten auf einer Ranch in Camp Sherman, Oregon. Sie betrieben ein holzwirtschaftliches Familienunternehmen mit Sägewerken in den nahegelegenen Orten Bend und Sisters, die LELCO. Einer ihrer Söhne, Kim Lundgren wurde Pilot und flog bis 1978 für die PanAm. Die damals größte amerikanische Fluggesellschaft versorgte die Strecken von und nach West-Berlin, denn wegen des Viermächtestatus durften nur die Siegermächte diese Strecken bedienen. Neben PanAm, Air France und British Airways gab es noch die 1946 gegründete Modern Air, ein in Miami ansässiges Unternehmen, das West-Berliner Urlauber im Auftrag von Pauschalreiseveranstaltern in die europäischen Feriengebiete flog. Doch die Modern Air verlor Geld, unter anderem weil ihre Convairs alles andere als treibstoffeffizient waren. Außerdem mussten die drei Korridore nach Berlin in einer unwirtschaftlichen Höhe von maximal 10.000 Fuß beflogen werden. 1973 beantragte das Unternehmen Gläubigerschutz, aus dem es nicht mehr herauskam. 1975 entzog das amerikanische Civil Aviation Board der Modern Air und ihrem Chef John MacDonald die Betriebserlaubnis. Immerhin hatte die Airline in den sieben Jahren ihrer Berlinfliegerei zwei Millionen Urlauber befördert. Die Aeroamerica, eine US-amerikanische Chartergesellschaft aus Seattle, kaufte die Berliner Streckenrechte, übernahm einige der Flugzeuge und schloss Verträge mit dem Reiseveranstalter Berliner Flugring.

Doch nach Streiks des Kabinenpersonals und robusten Gegenmaßnahmen der Airline geriet diese in immer schwierigeres Flugwetter. Schließlich kündigte der Flugring die Verträge mit Aeroamerica und sah sich nach einem neuen Partner um. Zwei alte Bekannte, die ihr Herz an Berlin verloren hatten, boten sich an: Kim Lundgren und John MacDonald. Lundgren überredete seinen Vater in Oregon seinem Holzkonzern LELCO – etwas branchenfremd – eine Airline anzugliedern, die Air Berlin USA. Vater Leonard war begeistert und übernahm sogar den Vorsitz. Von der TWA kaufte man zwei Boeing 707, mit dem Berliner Flugring schloss Lundgren einen Fünf-Jahres-Vertrag ab. Im April 1979 ging die Airline mit Mallorca-Flügen an den Start. Neben Urlaubszielen rund ums Mittelmeer bot Air Berlin USA ab Oktober 1980 auch Charterflüge nach Miami an.

Boeing 707-300 der Air Berlin USA – Foto: Ralf Manteufel

Air Berlin USA war beliebt und wollte mehr: Sie wollte ins Liniengeschäft einsteigen. Auf der lukrativen Berlin-Frankfurt-Route hatte die PanAm ein Monopol. PanAm intervenierte erfolgreich bei den alliierten Luftfahrt-Attachés und ging ihrerseits zum Gegenangriff über. Sie unterbreitete dem Flugring ein Kampfangebot für ihre Charterstrecken und erreichte tatsächlich, dass das Reiseunternehmen seinen Vertrag mit Air Berlin kündigte.

Doch wie aus Gerichtsprotokollen zu entnehmen ist, hatten die Lundgrens mit ihrer LELCO Company in Oregon schon ganz andere Gefechte geführt und sogar gegen den Staat juristische Siege eingefahren. Sie verklagten den Flugring und gewannen den Prozess. Weitere Berliner Reiseveranstalter griffen nun auf Air Berlin USA zurück.

Nach Mauerfall und Wiedervereinigung 1990 erlosch der Viermächtestatus, der Berliner Luftverkehrsmarkt änderte sich schlagartig. Ab sofort galt das US-Recht nicht mehr. Joachim Hunold kaufte 82,5% der Anteile und operierte fortan als Air Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs KG mit Sitz am Flughafen Berlin-Tegel. Der Rest und die wechselhafte Geschichte unter den Geschäftsführern Hunold, Mehdorn, Prock, Pichler und Winkelmann ist bekannt. Die Übernahme der dba und der LTU machte die Airline groß, die Mitgliedschaft in der Oneworld Allianz führte zu weiterem Wachstum, Niki Lauda fügte einen Glamourfaktor hinzu, die Partnerschaft mit Etihad Airways versprach rosige Aussichten. Eine Flotte von 120 Flugzeugen spricht ja auch für sich. Und doch kam die Airline aus Berlin-Tegel im Stadtteil Wedding ins Trudeln. Auch wenn die Lufthansa derzeit kein Interesse bekundet, so könnte trotzdem noch eine Shotgun-Wedding daraus werden, so nennt man in Amerika Zusammenschlüsse, bei denen einem Partner keine Wahl bleibt!

Von Andreas Fecker