Luftpost 193: Insignien der Macht

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Andreas Fecker Foto: Dierk Wünsche

Wenn Staatschefs reisen, dann hat die Vernunft schon mal Pause. König Salman bin Abdulaziz Al Saud (81) ist derzeit auf Staatsbesuch in mehreren Ländern Südostasiens: Malaysia, Indonesien, Japan, China, den Malediven und Jordanien. Eigentlich könnte das eine Randnotiz sein, würden hier nicht ganze Massen bewegt. King Salman hat eben nicht nur seinen Harem bei sich, sondern seine ganze Familie, 25 Prinzen und Minister, eine Entourage von 1000 Menschen. Mit Anhang und Dienerschaft macht das 1500 Personen, davon allein 150 eigene Köche. 460 Tonnen Gepäck, Speisen und Material werden bewegt. Die Saudis kommen mit sechs Jumbos. Eine Hercules bringt die beiden gepanzerten Luxuslimousinen Typ Mercedes-Benz S600, für die Sicherheit sorgen 10.000 Einsatzkräfte aus dem jeweiligen Gastland, verstärkt durch mitgebrachtes Sicherheitspersonal. Um die logistische Herausforderung überhaupt meistern zu können, werden mehrere Flughäfen gleichzeitig angesteuert. Während der King und seine Prinzen am Hauptflughafen von Jakarta empfangen wird, werden auf der benachbarten Air Base 63 Tonnen Material entladen. Die übrigen 396 Tonnen reisen nach Denpasar weiter, denn der König wünscht noch einen Kurzurlaub auf Bali einzuschieben.

Da werden ganze Hotels geräumt, Flughäfen und Lufträume gesperrt, das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Doch was anmutet wie die Ankunft eines Operettenkönigs aus 1001 Nacht, ist auch in den USA geübte Praxis. Um die amerikanische Präsidentenmaschine Air Force One wird eine ‚Sicherheitsblase‘ gelegt. Das führt schon mal zu nationalen Irritationen, wie einst am 20. Mai 1993. Damals beschloss Präsident Bill Clinton, sich vor dem Rückflug nach Washington an Bord seines Flugzeugs noch schnell einen Haarschnitt verpassen zu lassen. Er schickte dazu nach dem beliebten Haarstylisten der Hollywood Schickeria, Christophe aus Beverly Hills und ließ ihn in die Air Force One bringen. Dass er damit eine Stunde lang den internationalen Flughafen von Los Angeles praktisch lahmlegte, war ihm angeblich nicht bewusst. Es führte aber unter Republikanern und Demokraten ein ganzes Jahr lang immer wieder zu erhitzten Diskussionen.

In deutschen Flugsicherungskreisen erzählt man sich vom Staatsbesuch des damaligen Präsidenten Bush in Berlin. Es ist nicht unüblich, dass der Tower als höchste Aussichtsplattform eines Flughafens vorher Besuch vom amerikanischen Secret Service bekommt, der natürlich mit den eigenen Sicherheitsleuten auf dem jeweiligen Airport in Kontakt ist. Als die Air Force One etwas vor der geplanten Zeit gelandet war, befand sich auch ein verspäteter Airbus der deutschen Luftwaffe im Anflug, der eigentlich schon vor einer Stunde hätte ankommen sollen. Der Mann vom Secret Service wollte diese Landung unter gar keinen Umständen zulassen. Nach kurzem Disput drehte sich der Towerlotse zu dem Amerikaner um und sagte: „Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Präsident und seine Frau vor einem leeren roten Teppich stehen, dann hören wir jetzt auf mit dem Theater. In der Luftwaffenmaschine sitzt nämlich Bundeskanzler Helmut Kohl, der Mr. Bush gerne mit Würde empfangen möchte.“

Deutschland bringt übrigens seinen ankommenden Staatsgästen schon ab der Grenze alle Ehre entgegen. Im grenznahen Luftraum warten zur vereinbarten Einflugzeit eigens zwei Kampfjets, die den Staatsgast über Funk im Namen der Bundesregierung begrüßen. Sie fliegen dann als Eskorte bis zur Landung nebenher, einer links, einer rechts. Das ist nicht nur ein Ehrengeleit, sondern dient auch dem Schutz des Staatsgastes gegen durchgeknallte Privatpiloten.

Wenn also gekrönte Häupter und mächtige Präsidenten reisen, wird großer Aufwand betrieben. Es werden schon mal ganze Straßenzüge gesperrt, Fenster geschlossen und Kanaldeckel verschweißt. Auf den Dächern liegen Scharfschützen. Zum Vergleich: Unsere Staatschefin Angela Merkel, auch schon mal als mächtigste Frau der Welt bezeichnet, lebt in einem Berliner Mietshaus in einer Etagenwohnung. Vor der Tür stehen zwei Polizisten. An der Türklingel steht „Prof. Sauer“.

Von Andreas Fecker