Luftpost 188: Verschwörungstheorien

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Andreas Fecker

Hat es sich schon herumgesprochen? Die Mondlandung fand in einem Hollywood-Studio statt, der 11. September wurde von der CIA veranstaltet, die Bundesregierung will uns alle vergiften, die Aliens sind längst unter uns, und die Unterirdischen sind außer sich! An alle Freigeister und Verschwörungstheoretiker dieser Welt, macht euch nichts draus. Das Phänomen ist nicht neu. Schon im Mittelalter glaubte man schnell an Verschwörung, wenn die Erde bebte oder Krankheiten auftraten, die man nicht erklären konnte. Man schrieb das Unglück kurzerhand einem Zauber zu, verbrannte rothaarige Frauen als Hexen, ermordete Juden, blendete Menschen, die angeblich den Bösen Blick hatten. Problem gelöst. Pest oder Cholera verschwanden aber trotzdem nicht.

Eine andere Theorie besagt, dass gleich das ganze Mittelalter eine Erfindung sei und auf das Jahr 614 eigentlich das Jahr 911 folgte! Karl der Große (747-814) hätte demnach gar nicht existiert. Pure Erfindung wären dann natürlich auch dessen Vater Pippin, Großvater Heribert von Laon und Urgroßvater Karl Martell. Päpste und Kaiser sollen in irgendeiner Epoche unter einer Decke gesteckt und dieses Mittelalter erfunden haben. Natürlich ist auch nicht die Titanic gesunken, sondern ihr Schwesterschiff Olympic. Und selbstverständlich fliegen täglich UFOS über unsere Köpfe, Kennedy wurde von Castro ermordet, während eine andere Variante allerdings den CIA hinter dem Komplott sieht. Schließlich ist Paul McCartney 1966 heimlich verstorben und wurde durch einen Doppelgänger ersetzt. Bielefeld gibt es angeblich auch nicht.

Wenn nun Zeitungen und Fernsehen nicht auf diese Spinnereien eingehen, dann wird Verrat gewittert. Klar, ist da wieder die böse Lügenpresse am Werk. Man unterstellt kurzerhand Informationen, Erkenntnisse und angebliche Beweise würden unterdrückt oder gefälscht. Forscher, die ganz sachlich das Gegenteil beweisen wollen, werden der Desinformation bezichtigt wie einst Galileo Galilei. Es war also alles schon mal da. Zufällig gibt es einen lukrativen Markt für Bücher und Magazine über die angeblichen Verschwörungen gegen die Menschheit, die sich erstaunlich gut verkaufen. Und wer diese Geschäfte mit logischen Erklärungen oder Naturgesetzen stört, ist der Gegner. Denn er wurde von der Regierung oder den ‚okkulten Kräften der Wirtschaft‘ mundtot gemacht oder bestochen. Das Geschäft wird mit Zähnen und Klauen verteidigt.

Man kann nur staunen, wie viele ansonsten vernünftige Leute verunsichert werden oder gar Angst bekommen und ihr bisheriges Leben in Frage stellen. Sie greifen diese und ähnliche aberwitzigen Theorien auf und folgen den angebotenen Erklärungen. Es helfen nur Detailarbeit und Fakten.

Da passt auch die Chemtrails-Verschwörung dazu. Die Kondensstreifen von Flugzeugen sollen angeblich schleichende Gifte, Parasiten und Symbionten enthalten, mit denen wir systematisch und bevorzugt des nächtens besprüht werden. Warum? Um uns unfruchtbar zu machen und den Zuwachs der Bevölkerung zu kontrollieren. Die „Besprüherszene“ – das ist offenbar ein freigeistiger Ausdruck für die Fernreisetouristik – verheimliche natürlich auch unerklärbare Todesfälle. Eine Variante dieser Theorie ist, man wolle mit den Kondensstreifen eine weitere Wolkenschicht in die Erdatmosphäre einziehen, um ihre Erwärmung zu stoppen.

Kondensstreifen im Rhein-Main-Gebiet – Foto: Fecker
Kondensierter Atem bei einem Wilderness Guide in Alaska – Foto: Frederique Schmidt

Nun will ich mich mal an den Kondensstreifen versuchen, obwohl schon Generationen von Wissenschaftlern an der Erkenntnisresistenz der Verschwörungstheoretiker gescheitert sind: Bei körperlicher Anstrengung in großer Kälte kondensiert der Atem sichtbar. Bei Minustemperaturen schlägt er sich dabei als feine Eiskristalle an Kleidung und Haaren nieder, wie hier bei meinem Freund Eric Schmidt aus Alaska. Mitnichten könnte er damit die Welt vergiften. Allerdings sind er und sein Hundeschlitten noch weit weg davon, einen flugzeugähnlichen Kondensstreifen hinter sich herzuziehen. Die gefrorenen Wassertröpfchen hinter den Jets sind nämlich das Ergebnis heißer Abgase in eiskalter Luft, und daran haften wohl auch noch Rückstände des verbrannten Kerosins. Was wir Erdlinge sehen, sind also nichts anderes als langgezogene Zirruswolken, die irgendwann vom Wind zerstäubt werden. Und das war schon so, als ich noch klein und Konrad Adenauer Bundeskanzler war. Und der hatte bestimmt nicht vor, uns Menschen zu vergiften.

Von Andreas Fecker