Luftpost 185: Beruf Fluglotse

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Foto: Bildarchiv Fecker

Das neue Jahr hat begonnen, für die Abiturs Jahrgänge bedeutet das „Endspurt und berufliche Orientierung“. Die Berufswahl scheint aber eine so schwierige Entscheidung zu sein, dass viele Abiturienten diese gerne vor sich herschieben. Erst mal studieren, mal sehen, wo ich einen Studienplatz kriege und was sich dann ergibt. Das ist die wahrscheinlich schlechteste Voraussetzung, es in seinem beginnenden Berufsleben jemals zu etwas zu bringen. Es ist eher das Gegenteil eines zielorientierten Karriereaufbaus. Woher aber soll ein junger Mensch wissen, welcher Beruf ihm liegt, worin er sich wohlfühlen wird? Was, wenn er irgendwann merkt, dass er sich vergaloppiert hat?

Willkommen im echten Leben, das aus Entscheidungen, Fehlentscheidungen, Korrekturen, Gestaltung, Eifer, Ausdauer und Selbstbewusstsein besteht. Ein ganzes Leben lang. Entscheidungsfreude ist eine Eigenschaft, die in der Flugsicherung nicht nur täglich gebraucht wird, sondern die für diesen Beruf geradezu Voraussetzung ist. Es reicht nicht, gerne in den Urlaub zu fliegen oder ein Faible für die Atmosphäre eines Flughafens zu haben. Auch die Aussicht auf ein gutes Gehalt schon während der Ausbildung sollte nicht den Ausschlag für die Entscheidung geben.

Wer eignet sich für den Job, in dem es gilt, vollbesetzte Flugzeuge geordnet auf die Reise zu schicken, sie voneinander fernzuhalten und ankommende Maschinen aus allen Richtungen und Höhen geordnet auf einen Punkt zu führen, nämlich auf die Schwelle einer Flughafenpiste? Die nationalen Flugsicherungsorganisationen treffen unter den Bewerbern eine Vorauswahl und laden sie zu einem mehrtägigen Eignungstest ein. Dieser ist nicht zu unterschätzen, und das ist gut so. Es gibt wohl Literatur mit Beispielaufgaben, womit man sich auf den Test vorbereiten kann. Allerdings rate ich davon ab. Man soll ja nicht lernen, den Test zu bestehen, sondern die Tester sollen herausfinden, ob man das Zeug für den Job hat. Getestet wird nämlich auch die Fähigkeit zum logischen Denken unter Belastung, das Arbeitsgedächtnis, die Merkfähigkeit, die Verarbeitungskapazität, das räumliche Denken. Später im Job wird man wohl nie wieder logische Reihenfolgen von Dreiecken und Quadraten erkennen müssen. Aber man muss schon mal unter Hochdruck kalkulieren, Knoten in Entfernung oder Pfund in Gallonen umrechnen.

Ich bin mittlerweile nach einem bewegten Flugsicherungs-Leben im Ruhestand. Ich habe Lotsen erlebt, die sind irgendwie über alle Hürden gekommen, mit Glück, mit Beziehungen, durch Abschreiben oder mit Beschiss. Später im Job haben sie sich häufig krankgemeldet, arbeiteten zauderhaft oder haben sogar richtig Mist gebaut. Einer jagte sich eine Leuchtkugel aus der Signalpistole durch den Kopf. Es macht betroffen zu sehen, wie ein Kollege am morgen früh aus Angst vor der Arbeit erst mal über die Tower-Balustrade kotzt. Mein Rat an alle Bewerber, geht in den Test, happy go lucky. Wer besteht, kann darauf vertrauen, auch den Job zu schaffen. Wer nicht, sollte den Leuten dankbar sein, dass sie rechtzeitig die Notbremse gezogen haben.

Häufig wird von Stress gesprochen. Zitate aus Action-Filmen wie dieses „Sie haben ein Magengeschwür wie ein 50-jähriger Fluglotse“ fördern diesen Eindruck. Sicherlich ist der ständige Entscheidungsdruck nicht unbedingt gesund, aber man muss auch mal selbstkritisch zugeben, dass viele von uns ein wenig Macho sind. Wir gefallen uns darin, den Stress abzuwiegeln, wenn man uns damit konfrontiert und sagen Dinge wie „Das ist eben nichts für Weicheier.“ Hier sind manche womöglich nicht ganz ehrlich. Aber, ernsthaft hat mich das nie interessiert.

Es ist einfach toll, morgens zum Dienst zu kommen, sich in die Position zu setzen und den Verkehr abzuarbeiten. Und mitten im heißen Traffic tippt einem plötzlich jemand auf die Schulter und sagt: „Willst Du nicht langsam nach Hause gehen?“ Und dann erkennt man, dass die Schicht vorbei ist! Du übergibst den Verkehr, steckst deinen Kuli ein, bleibst noch kurz hinter dem Kollegen stehen und gehst dann nach Hause. Zufrieden, glücklich, dankbar, dass es solche Jobs gibt und dass Du es geschafft hast.

Eine persönliche Beobachtung, die ich über Jahrzehnte gemacht habe: Kreative, künstlerisch oder musikalisch begabte Lotsen haben auch im Job viel Spaß. Das soll jetzt nicht heißen, dass im Umkehrschluss Mick Jagger oder Bob Dylan auch gute Fluglotsen abgegeben hätten, zumal man bei letzterem nie sicher sein kann, ob er überhaupt zum Dienst kommt…

Von Andreas Fecker

Umfassende Informationen dazu im Buch Beruf Fluglotse.