Luftpost 172: Friede in Kolumbien?

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Andreas Fecker – Bildarchiv Fecker

Am 12. April 1999 startete eine Fokker 50 der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca mit Flugnummer AV9463 in Bucaramanga zu einem Flug nach Bogotá. An Bord 48 Passagiere, darunter mehrere Geschäftsleute und ein Priester. Kaum waren die Anschnallzeichen erloschen, sprangen sechs der gutgekleideten Geschäftsleute und der falsche Priester auf und bedrohten die Passagiere mit Pistolen. Einer von ihnen verschaffte sich Zugang zum Cockpit und befahl der Crew den Kurs zu ändern. Neues Ziel war eine kleine Urwaldpiste im tropischen Sumpfland Nordost-Kolumbiens, von Drogenschmugglern angelegt.

Nach der Landung wurde das Flugzeug von schwer bewaffneten FARC-Rebellen empfangen. Es folgte ein stundenlanger Marsch bei brütender Hitze durch Sümpfe voller Moskitos und Alligatoren. Die Entführer luden die Geiseln am Rio Magdalena in Kanus und brachten sie durch ein Labyrinth von Seitenarmen weiter ins Landesinnere. Die Guerillas ließen am nächsten Tag sechs Kranke frei, darunter eine Mutter mit ihrem Baby. Sie wurden zu einem Außenposten des Roten Kreuzes gebracht. Die restlichen 32 Geiseln kamen im Laufe der folgenden 365 Tage nach und nach gegen Zahlung von Lösegeld frei. Die Hijacker konnten aufgespürt und verurteilt werden. Diese Entführung war ein neuer Höhepunkt im Jahrzehnte langen Kampf zwischen Armee, Paramilitärs, Guerillas, Drogenbaronen zulasten der Bevölkerung. Und es sollte nicht der einzige Eingriff in den Luftverkehr bleiben. Dem seit 1960 andauernden Konflikt fielen ca. 250.000 Menschen zum Opfer, über sechs Millionen wurden von ihrem Land vertrieben, 45.000 gelten noch immer als vermisst.

Und nun, im September 2016, schlossen die kolumbianische Regierung und die FARC-Rebellen nach vier Verhandlungsjahren einen historischen Frieden. Der Rebellenchef bat die Bevölkerung um Vergebung für alles zugefügte Leid. Wichtige Schlüssel dazu waren Abgabe der Waffen, gerichtliche Aufarbeitung, Geständnisse, Einsicht, Reue und im Gegenzug die Straffreiheit. Vergangene Woche sollte eine Volksabstimmung unter den 48 Millionen Kolumbianern den Inhalt des Friedensvertrags bestätigen. Angesichts der Freude und Begeisterung im Land über das Ende des Terrors galt eine Zustimmung als sicher. Man machte sich mehr Sorgen um Hurrikan Matthew, der gerade an Kolumbiens Nordküste Fahrt aufnahm. Beides schlug sich auch in der Wahlbeteiligung nieder. Und wieder einmal zeigte sich, dass die direkte Demokratie sehr wohl am Wille des Volkes vorbeigehen kann, denn nur 37% der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

Blumen statt Rauschgift! Ein Frachtraum voller Schnittblumen am Airport von Bogotá. Im Anflug auf Bogotá sieht mein Kilometerweit Blumenplantagen. Der Export von Schnittblumen ist eine stabile Alternative zum Koka-Anbau. Bereits heute exportiert das Kaffeeland Kolumbien zu 75% Schnittblumen! Die Hälfte davon geht in die USA. – Bildarchiv Fecker

Der Schock im Land war groß, als der Vertrag mit 50.27% abgelehnt wurde. Es fehlten 61.000 Ja-Stimmen. Die Gegner des Abkommens bestehen darauf, dass den Rebellen weitere Zugeständnisse abgepresst werden. Einige Splittergruppen der FARC hatten nur mit Zurückhaltung dem Ende der Kämpfe zugestimmt. Der Waffenstillstand endet offiziell mit Ablauf dieses Monats. Auch wenn die FARC Führung signalisiert hat, dass sie sich trotzdem an die Vereinbarung halten will, könnte das Ergebnis der Volksabstimmung den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung und die Rückkehr zur Normalität wieder in Frage stellen. Jetzt ist Hilfe von außen gefordert. Präsident Juan Manuel Santos erhielt gestern den Friedensnobelpreis 2016. Das soll Belohnung und Ansporn sein, diesen Frieden durchzusetzen.

Von Andreas Fecker