Luftpost 170: Buschpiloten

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Der Autor unterwegs in einer voll beladenen DHC-2 Beaver zu einem kleinen See in Alaska – Bildarchiv: Fecker

Irgendwann im Leben wird wohl jeder von uns von einem Ausstieg aus dem Hamsterrad des Alltags träumen. Vielleicht von einem einsamen Ort an einem spiegelglatten See in Schweden oder in Kanada, von langen, kuscheligen Tagen am heißen Kamin, in dem die Holz­scheite knistern, von verschneiten Winteraben­den im warmen Blockhaus bei Kerzenlicht. Von Jagdausflügen, von frischen Fischen aus dem eigenen, kristallklaren See. In trauter Zweisamkeit den Rest seines Lebens verbringen. Ein schöner Traum. Doch geht man einen Schritt weiter und überlegt, ob und wie man ihn realisieren könnte, kommt für die meisten bald die Ernüchterung:

Denn Beeren, Lachs und gepökeltes Karibu wird auf Dauer doch etwas monoton. Also braucht man Kartoffeln, Mehl, Getreide, frischen Salat, Eier, Käse, Salami, Haferflocken, kurzum Lebensmittel, um den Speiseplan ein wenig spannender zu gestalten. Weiter stellen sich die Fragen, wie kommt man an Benzin und Öl, eine neue Kette für die Mo­torsäge? Irgendwann ist vielleicht ein neuer Ofen fällig, ein neues Messer, eine neue Axt, ein neues Ge­wehr. Braucht man nicht auch Munition, Waffenöl, An­gelruten, Darm und Haken? Ein neues Funkgerät vielleicht? Neue Kochtöpfe? Das Zeug hält ja alles nicht ewig. Neues Schuh­werk, Klei­dung, Zahnbürsten, Seife, Mo­natsbin­den, Socken, Salz um Felle zu gerben, Flickzeug, Verbandszeug, Fenster­glas, Klopapier, Streich­hölzer, Holz­schutzmittel gegen Termitenfraß, Besen, Bat­terien und Birnen für die Handlampen, Petroleum für die Deckenlampen, Zündkerzen für den Stromgenerator. Neue Schlaf­säcke, Bücher, Schreib­zeug. Hat man also hierfür kein finanzielles Polster, ist der Traum für viele schnell geplatzt. Denn alles muss eingeflogen werden. Und das hat seinen Preis. Die rustikalen Cessnas, Beavers und Twin-Otters von De Havilland kosten Geld für Sprit, Wartung und Unterhalt. Und auch die Buschpiloten verlangen ihren Lohn für die ungewöhnliche und manchmal gefährliche Arbeit.

Nach der Landung in einem Urwalddorf in Zentralafrika – Bildarchiv: M. Vetter

Dafür starten und landen sie je nach Kontinent, Einsatzort und Jahreszeit auf Rädern, auf Schwimmern, auf Skiern oder auf Kufen. Mut und Vorsicht, Sorgfalt und Selbstvertrauen, fliegerisches Können und Verhandlungsgeschick, Erfahrung und Nervenstärke zeichnen sie aus. Tausende von ihnen sind in der ganzen Welt tätig, fliegen zu den verlassensten Winkeln, versorgen Dörfer am Rande von Wüsten, in wegloser Wildnis, in Urwäldern, auf einsamen Inseln. Sie beliefern aber nicht nur zivilisationsmüde Aussteiger, sondern auch Kranken- und Missionsstationen, Baustellen, sie beobachten Tierherden, helfen Wildschützern bei der Jagd auf Wilderer, evakuieren erkrankte Forscher an Nord- oder Südpol, beliefern im Eis eingeschlossene Schiffe. Sie bringen Löhne zu Gold- und Diamantenminen und fliegen die kostbare Ausbeute in die Stadt.

Die Zuverlässigkeit ihrer Fluggeräte ist ihr Leben. Jeder von ihnen kennt jedes Einzelteil und beobachtet den Verschleiß mit Argusaugen. Oft ist es nur ein Notbehelf wie Tape oder Draht, mit dem in der Wildnis ein gebrochenes Teil repariert wird, bis man wieder an einem richtigen Flughafen landet und Zugang zu einer Werkstatt hat.

Manni Vetter, früherer Fluglotsen-Kollege auf dem Tower in Büchel. – Foto: Vetter

Manni, Ex-Fluglotse, flog nach seinem Ruhestand noch ein paar Jahre im Tschad, Zentralafrika und im Kongo. Er schwärmt von der Dankbarkeit der Menschen und dem einfachen, intensiven Leben in den Savannen- und Urwalddörfern am Äquator. Eine große Herausforderung war immer der Treibstoff. Vor allem, wenn die Urwaldpisten auf den roten Böden schwer auszumachen sind. Oder wenn man wegen Sandstürmen, Heuschreckenschwärmen oder Gewitter spritfressende Umwege fliegen muss. Improvisation ist alles, wenn ein zusätzlicher Passagier mitfliegt, der eine Behandlung in einer Krankenstation braucht, oder eine verstorbene Krankenschwester, die in ihrem Heimatort beerdigt werden soll. Oder ein Team von Ärzte ohne Grenzen wird von Dorf zu Dorf geflogen, um die Bevölkerung zu impfen.

Handaufzeichungen von Manni
Handaufzeichnungen von Manni

Eine Flugsicherung wie wir sie kennen gibt es in diesen Regionen nicht. Fliegerkarten wie wir sie kennen auch nicht. Die Örtlichkeiten werden von den Buschpiloten auf einen Block notiert und untereinander weitergegeben. Die Pisten aus Gras, Laterit oder Lehm sind aus dem Boden gestampft, Befeuerung gibt es keine, ein Schuppen, eine Lehmhütte ist manchmal alles. Man fliegt über das Dorf, macht damit auf sich aufmerksam und landet. Und bald wird jemand kommen, der sich zuständig fühlt. Hinter ihm die Kinder. Und schon strömen die Menschen herbei und umringen das Flugzeug. Der Pilot ist Gast der ganzen Gemeinschaft, die mit ihm das Wenige teilen will, was sie hat.

Für uns sind sie nahezu unsichtbar, aber sie leisten Großes. Buschpiloten sind für Millionen von einsam lebenden Menschen zwischen Nord- und Südpol die einzige Verbindung zur Außenwelt.

Von Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 170: Buschpiloten”

  1. Jerry sagt:

    Hallo Andreas,

    danke, dass das mal einer so ausführlich erörtert wie du es gerade getan hast. Bin selbst immer schwer angetan!

    Grüße,
    Tom

  2. Andreas Fecker sagt:

    Bei der Gelegenheit verweise ich gerne auf Luftpost 47 „Marten Hartwell“ und mein Portrait über Buffalo Airways