Luftpost 152: Horus und die EgyptAir

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Andreas Fecker – Foto: Bildarchiv Fecker

Das Logo der EgyptAir symbolisiert den Horus, eine ägyptische Gottheit mit dem Falkenkopf. Horus ist für die Ägypter, was Apollon für die Griechen ist. EgyptAir fliegt also mit hohem Anspruch. Vergangene Woche verschwand eine ihrer Maschinen auf dem Flug von Paris nach Kairo zwischen Kreta und Alexandria im Mittelmeer. Es beginnt nun die lange Zeit der Ungewissheit, bis wir aus einem zuverlässigen Bericht etwas über Ursachen und Unfallhergang mit der MS804 erfahren. Zeit für Spekulationen der üblichen „Experten, Verschwörungstheoretiker und Laieninterpreten“. Zeit aber auch für einen eher sachlichen Rückblick auf die bewegte Geschichte einer Airline, die schon seit 1932 existiert.

Misr-Airwork, so hieß sie früher, gehört damit zu den ältesten Fluggesellschaften der Welt, wenngleich sie mehrfach neu organisiert wurde. Misr ist das arabische Wort für Ägypten. Zu Beginn flog sie nur zwischen Kairo und den Küstenstädten Marsa Matruh und Alexandria, Lod, Haifa und Nicosia. 1946 stießen Flugzeuge unterschiedlichster Typen zur Flotte. Alles, was in dieser Aufbruchszeit zwei Flügel und mindestens einen funktionierenden Motor hatte, war willkommen. Im Auftrag des UNO half Misr-Airwork unter anderem, Flüchtlinge von Hamburg nach Montreal zu bringen. Bei der Berliner Luftbrücke im Winter 1948 waren ägyptische Flugzeuge mit 74 Einsätzen dabei!

In dieser Nachkriegszeit folgte der Ausbau weiterer Routen in die benachbarten afrikanischen Staaten sowie nach Europa. Die Gesellschaft nannte sich fortan MisrAir. Nach zahlreichen Unfällen nahm man 1958 den politischen Zusammenschluss von Ägypten und Syrien zum Anlass, die MisrAir und die Syrian Airways zusammenzuführen und in United Arab Airlines (UAA) umzubenennen. Ein reger Flugbetrieb verband nicht nur die beteiligten Staaten, sondern führte auch in alle europäischen Länder. Sogar Moskau, Bombay, Bangkok und Hongkong standen auf dem Flugplan. Doch wenn MisrAir bis dahin nur vom Pech verfolgt war, so geriet UAA zur Katastrophe. 26 Unfälle in nur elf Jahren stellten einen traurigen Rekord in der Luftfahrtindustrie dar.

Nach Auflösung der Vereinigten Arabischen Republik im Jahr 1961 zogen die Syrer auch ihre Anteile an der United Arab zurück. Die UAA flog fortan alleine unter Ägyptens Regie. 1964 geriet das Land unter sowjetischen Einfluss. Das schlug sich nicht nur im Nachlassen des Tourismus nieder, sondern auch in der Zusammensetzung des Flugzeugparks: Neben den Restbeständen aus den Häusern Douglas und Boeing stießen nun Antonovs, Iljuschins und Tupolevs zur Flotte. Der Sechs-Tage-Krieg mit Israel im Jahr 1967 endete mit der Demütigung des stolzen Wüstenstaates. Doch dies geriet Ägypten indirekt zum Vorteil. Nicht nur brachte es dem Land die Sympathien und Solidarität der anderen arabischen Staaten ein, sondern es barg auch die Gelegenheit, staatliche Strukturen zu überdenken.

Mit gut zwei Dutzend Totalschäden auf dem Konto ließ sich die UAA nicht mehr vermarkten. 1971 wurde sie in EgyptAir umbenannt. Der neue Staatspräsident Anwar-as-Sadat änderte vieles im Lauf der Geschichte des Landes am Nil. Er verhalf Ägypten zu neuem Selbstvertrauen. Am 6. Oktober 1973 griff er – zusammen mit Syrien – den israelischen Nachbarn an. Während der ersten 48 Stunden waren die Angreifer noch im Vorteil, doch schließlich gewann Israel auf ganzer Linie. Sadat zog die Konsequenzen, warf die 20.000 sowjetischen Militärberater aus dem Land und richtete Ägypten erneut auf den Westen aus. Doch die schwarze Serie der Airline ging auch unter dem neuen Namen noch eine ganze Weile weiter. Eine überfällige Flottenerneuerung bot die Gelegenheit, die Typenvielfalt zu beenden und den Flugzeugpark mit Maschinen von Boeing, Douglas und später auch Airbus zu modernisieren.

1977 leitete Sadat den Friedensprozess mit Israel ein, was zur Isolation Ägyptens in der arabischen Welt führte. Die Golfstaaten schnitten das Land von der Ölversorgung ab. Trotzdem verfolgten die beiden Staaten ihre Politik der Annährung und der Partnerschaft. EgyptAir gründete eigens eine Tochtergesellschaft, um damit einerseits einen Flugverkehr mit Israel anbieten zu können, andererseits die Marke EgyptAir in der arabischen Welt nicht weiterem Boykott auszusetzen.

Nach der Ermordung Sadats im Jahr 1981 wurde Hosni Mubarak Präsident. Er richtete das Land weiter gen Westen aus und kümmerte sich nun persönlich um das ramponierte Image der EgyptAir. Mit einem Flugzeugpark von 30 Maschinen, einem neuen, sauberen Terminal und einer neuen Firmenzentrale wagte er den Neuanfang. Und diesen durfte man getrost als gelungen bezeichnen. 2008 wurde sie sogar in die StarAlliance aufgenommen.

Auch die Serie der Unfälle war fast schlagartig vorbei, mit einer spektakulären Ausnahme: 1999 stürzte eine ägyptische Boeing 767 vor der amerikanischen Atlantikküste ins Meer. Nach Bergung und aufwändiger Rekonstruktion des Fluges kamen die Amerikaner zur Überzeugung, dass der Kopilot während einer kurzen Abwesenheit des Käptens aus dem Cockpit einen Sturzflug eingeleitet hatte. Auch das FBI entdeckte schwerwiegende Hinweise auf einen Pilotensuizid. Die ägyptischen Behörden bestreiten dies beharrlich und machen technische Gründe für den Crash mit 217 Opfern verantwortlich. Möglicherweise war das eine Blaupause für das Unglück der Germanwings mit 150 Toten.

Von Andreas Fecker