Luftpost 148: Ausschreibung

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Andreas Fecker – Bildarchiv Fecker

Seit 1988 schreibt die Stadt Ulm den mit 25.000 Euro dotierten Albrecht-Ludwig-Berblinger-Preis aus. Am 21. Juni ist Einsendeschluss für 2016. Gesucht werden Ideen für ein innovatives personentragendes Flugzeug oder einzelne Komponenten dafür. Es soll umweltverträglich in Bezug auf geringen Energieverbrauch, Abgas- und Lärmemissionen sein. 1996 wurde das erste personentragende, eigenstartfähige und ausschließlich mit Sonnenenergie betriebene Flugzeug prämiert. 2011 gewannen ein eigenstartfähiges Hochleistungssegelflugzeug mit lärmarmem, ökologischem Antriebssystem und ein Motorsegler in Leichtbauweise und Solarantrieb.

Wer war der Mann, nach dessen Namen die Stadt an der Donau einen solchen Innovationspreis stiftet? Albrecht Berblinger wurde 1770 in Ulm geboren. Er wollte eigentlich Uhrmacher werden, musste aber im Alter von 13 Jahren eine Schneiderlehre beginnen. Er gab sich allerdings nie mit diesem Handwerk zufrieden, sondern tüftelte an mehreren Erfindungen. So baute er für einen beinamputierten Freund eine Prothese mit Knie- und Fußgelenken. Die Ärzte im Krankenhaus waren von seiner „Fußmaschine“ aufs höchste angetan. Ein Patent erhielt er allerdings nicht. Die Gebrüder Montgolfier mit ihrem Heißluftballon inspirierten ihn dazu, einen Flugapparat zu bauen. Das war sechs Jahre bevor das erste Fahrrad erfunden wurde, es gab auch noch keine Eisenbahn. Kein Wunder, dass die Menschen über den Schneider spotteten, die Innung wollte ihn sogar aus der Zunft werfen. Doch Berblinger hatte seine Vision, von der er sich nicht abbringen ließ. Heimlich unternahm er Flugversuche in den Weinbergen über Ulm, 80 Jahre vor Lilienthal.

Um seinen Ruf zu retten, kündigte er für den 30. Mai 1811 einen Flug über die Donau an. Auch König Friedrich I. von Württemberg wollte sich diese Sensation nicht entgehen lassen. Aber als er auf dem Holzpodest 20 Meter über dem Wasser stand, verließ in das Vertrauen in seine Konstruktion. Er gab vor, ein Flügel sei gebrochen und den müsse er zuerst reparieren. Der König reiste daraufhin ab. Am folgenden Tag strömte die Menschenmenge wieder zusammen, Berblinger blieb nichts Andres übrig als wieder auf das Podest zu steigen. Mit seinem auf den Rücken geschnallten Flugapparat tänzelte er fast eine Stunde lang aufgeregt auf der Plattform hin und her und wartete auf günstigen Wind. Er war kreidebleich und hatte Angst. Man sagt, jemand habe ihm schließlich einen Tritt gegeben, jedenfalls fehlte der Anlauf, den er gebraucht hätte und der tapfere Schneider stürzte fast senkrecht ins Wasser. Fortan war er grenzenlosem Spott ausgesetzt. Man schimpfte ihn einen Betrüger, er verlor alle Kunden in seiner Schneiderei und verstarb 1829 als armer Mann. Man verscharrte ihn in einem namenlosen Grab.

Die Stadt Ulm rehabilitierte Berblinger 175 Jahre später in dem sie einen Flugwettbewerb an dieser „historischen Stätte des Scheiterns“ veranstaltete. Gestartet wurde mit bewährten Gleitern aus den modernsten Materialien. Trotzdem fielen von 30 mutigen Sportlern 29 ins Wasser. Berblinger hatte für sein Unternehmen einfach den falschen Ort gewählt. Die Donau ist an dieser Stelle zu kalt, die senkrechte Mauer begünstigt Fallwinde. Auftrieb war auch bei Gegenwind nicht möglich. Ulm führt seitdem die Tradition fort und animiert so Erfinder und Tüftler, Ingenieure und Konstrukteure dazu, mutig für die Zukunft der ökologischen Fliegerei zu forschen.

Auch wenn man Albrecht Ludwig Berblinger noch lange danach mit leichtem Spott als den „Ikarus von Ulm“ bezeichnete, auch wenn er nicht in einem Atemzug mit Otto Lilienthal, Karl Jatho oder den Gebrüdern Wright genannt wird, so war er doch einer der ersten Flugpioniere der Welt.

Von Andreas Fecker