Luftpost 146: Ausflaggung

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Die Cayman Islands sind ein beliebtes Paradies, um ganze Volksvermögen verschwinden zu lassen – Foto: Andreas Fecker

Irgendwann im Jahr 2002 fand auf einer Funkfrequenz des Stuttgarter Flughafens folgender Dialog zwischen einem Piloten und der Flugsicherung statt: „Tower, vor mir steht eine Challenger mit der Länderkennung VP-C..‘. Was ist denn das?“ „Cayman Islands“. Der Pilot der erwähnten VP-CBS hatte mitgehört und legte in breitem, schwäbischen Dialekt nach: „Des isch glei hinter Burladingen, uff Meckenbeuren zue.“ Es handelte sich um den Privatjet von Michael Schumacher. Mittlerweile besitzt der erkrankte Formel-1 Star ein neues Flugzeug mit Kennung M-IKEL. Das „M-“ steht für Isle-of-Man, auch ein Steuerparadies. Nicht nur Öl-Tanker und Containerschiffe werden also ausgeflaggt. Auf Bermuda sind derzeit 575 Flugzeuge registriert, die weltweit entweder privat oder im regulären Passagierdienst fliegen, 173 Maschinen verkehren unter der Flagge der Kaimaninseln. Darunter sind auch elf Firmenjets des Volkswagen Air Service. Zahlreiche Flugzeug-Leasingfirmen registrieren ihre Maschinen auch in Irland.

Wichtigste Voraussetzung für eine Registrierung in den karibischen Steuerparadiesen ist eine Person mit Pass aus dem britischen Commonwealth. Oder eben eine Anwaltskanzlei auf den Kaimaninseln oder einem der anderen unten genannten Länder. Die Vorteile für die Betreiber liegen auf der Hand: „Flexible“ Bürokratie, geringe Kosten, weltweit gültige Lizenzen und Zulassungen, Steuerbefreiung, keine Auflagen, dass das Flugzeug vornehmlich im Land der Registrierung betrieben werden muss. Und last but not least, VP ist eben nicht US oder UK, was in manchen politisch instabilen Ländern schon mal ein Sicherheitsrisiko darstellt. Aber auch aus personalpolitischen Gründen kann es für eine Airline vorteilhaft sein, unter fremder Flagge zu fliegen. Arbeitszeiten, Tarifverträge und Overheadkosten sind in den meisten Fällen günstiger.

Die OECD versucht, einen internationalen Steuerstandard zu etablieren und einen Informationsaustausch unter den Staaten zu erreichen. Als nicht kooperativ hat sie folgende Staaten in einer Liste zusammengefasst: Andorra, Anguilla, Antigua und Barbuda, Aruba, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belize, Bermuda, Britische Jungferninseln, Cookinseln, Dominica, Dubai, Gibraltar, Grenada, Isle of Man, Jungferninseln, Kaimaninseln, Kanalinseln, Kranidi, Liberia, Liechtenstein, Malediven, Malta, Marshallinseln, Mauritius, Monaco, Montserrat, Nauru, Niederländische Antillen, Niue, Panama, Samoa, Seychellen, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Tonga, Turks- und Caicosinseln, Vanuatu und Zypern.

Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler empfiehlt unter dem Eindruck der Panama Papers, diese Geschäftsmodelle auszutrocknen. Man solle damit beginnen, sie nicht mehr als „Steuerparadiese“ oder „Finanz-Oasen“ zu verherrlichen, weil das die Realität verharmlose und verschleiere. Es seien „Halunkenstaaten“, in denen Gelder gewaschen würden, die zum Beispiel aus Drogen- und Waffengeschäften stammten. Über diese Länder würden latent „Low Intensity Wars“ finanziert, die jedes Jahr tausende von Toten fordern, aber nicht so spektakulär sind, dass sie in den täglichen Nachrichten auftauchen. Viele dieser Halunkenstaaten produzierten nichts außer Briefkästen und Finanzdienstleistern. Das seien Piraten, die der Weltgemeinschaft und ihren Sozialsystemen das Geld wegnähmen.

Sir Turtle erinnert an die Geschichte der Karibik – Foto: Andreas Fecker

Fast jeder der oben aufgelisteten Staaten hat mehr Briefkästen als Einwohner. Und fast jeder Inselstaat unterhält eine eigene Airline, obwohl das touristische Passagieraufkommen den Bedarf nicht wirklich rechtfertigt. Es ist auch aufschlussreich, dass Bermuda von acht großen internationalen Airlines angeflogen wird, obwohl auch hier der Freizeitwert eher diskret ist. Dafür ist dort so ziemlich jedes Geldhaus der Welt vertreten. Übrigens, das Logo auf dem Leitwerk der Cayman Airways erinnert selbstbewusst und trotzig an die Piraten der Karibik rings um die Kaimaninseln: Sir Turtle, ein Pirat, stilecht mit Haudegen und Holzbein.

Von Andreas Fecker