Luftpost 132: Alkohol am Steuerknüppel

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Archiv: Fecker

Die meisten von uns werden sich schon einmal über die eine oder andere Filmszene amüsiert haben, in der ein Buschpilot für eine gefährliche Mission gesucht wird. Natürlich wird er in einer Kneipe gefunden, randvoll mit Whiskey. Man glaubt sogar, man hört seine Zunge darin plätschern. Mit einem Kübel Wasser wird er frisch gemacht und ab geht’s in Cockpit.

Nein, so geht es in der Passagierfliegerei nicht zu. In Europa gelten 0,2 Promille. Acht Stunden vor dem Flug und natürlich während des Fluges darf gar kein Alkohol getrunken werden. Entsprechendes gilt für Medikamente, die die Sicherheit gefährden könnten. Einschränkungen gibt es außerdem für Blut- und Knochenmarkspenden, sowie für Tauchen in der Freizeit. Auch wenn gelegentliche Einzelfälle in der Weltpresse zu Schlagzeilen aufgebauscht werden, alle Piloten, die ich kenne, halten sich eisern an diese B2T-Regel (from bottle to throttle). Mir ist außerdem nur ein einziger Fall aus der kommerziellen Fliegerei bekannt, in dem Alkohol bei einem Unfall eine Rolle spielte: 1977 in Anchorage. Die DC-8 der JAL Cargo hatte nach dem Start in 50 m Höhe einen Strömungsabriss und krachte 300m hinter der Piste auf den Boden. Fünf Mann Besatzung und 65 Rinder fanden den Tod. Der Käpten war zuvor gesehen worden, wie er schwankend zum Flugzeug stolperte. Er hatte dreimal so viel Alkohol intus, wie die Menge, die ihn im Straßenverkehr hinter Schloß und Riegel gebracht hätte. Der Rest der Crew erhielt posthum eine Mitschuld für den Absturz, weil sie den Vorgesetzten nicht am Besteigen des Flugzeugs gehindert hatte.

Mittlerweile hat sich eine Mentalität durchgesetzt, dass Crews, Flugbegleiter und Bodenpersonal auf Anzeichen von Trunkenheit achten. 2002 flogen zwei fidele Piloten einer amerikanischen Billigairline auf, die sich in einer Bar in Florida zusammen 14 Flaschen Bier in den Kopf geschüttet hatten. Ihre Zeche belief sich auf 144 Dollar! Fünfeinhalb Stunden später wollten sie fliegen, wurden aber vom Sicherheitsdienst abgefangen. Der Kopilot erhielt zwei, der Käpten fünf Jahre Gefängnis, weil er wegen Trunkenheit am Steuer bereits vorbestraft war.

1990 flog eine dreiköpfige Crew von Northwest Airlines ihre Boeing 727 von Fargo (North Dakota) nach Minneapolis. Flug und Landung verliefen normal. Erst am folgenden Tag erhielten die Behörden einen Tipp, dass die Crew am Abend zuvor in einer Bar gesehen wurde. Alle drei wurden daraufhin gegroundet und erhielten Gefängnisstrafen. In den USA führt die FAA jährlich 10.000 unangekündigte Alkoholtests durch. Das beruhigt die Öffentlichkeit, denn die Proben sind fast durchweg negativ. Im Nachgang der Germanwings-Katastrophe regt nun Verkehrsminister Dobrindt an, auf europäischer Ebene stichprobenartige Kontrollen auf den Konsum von Alkohol, Drogen und Medikamenten zu beschließen. Statt aber nun eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht zu stellen, halten die Piloten selbst eine Kultur der kameradschaftlichen Aufmerksamkeit für angebrachter. Das hat nichts mit Denunziantentum zu tun.

Berücksichtigt man nämlich, dass alle 60 Sekunden 52 Maschinen von 1.500 Airlines irgendwo in der Welt starten, dass jede Minute 5.700 Passagiere an Bord einer Weltflotte von 25.000 Flugzeugen gehen, dass jedes Jahr 3.000.000.000 Passagiere starten und an einem von 4000 Flughäfen wieder sicher landen, dann sollte man wegen eines einzigen Unglücks dieser Art nicht gleich überreagieren, so bitter das auch war. Ohne etwas verharmlosen zu wollen, man kann diese erweiterten Suizide von Piloten in den letzten 40 Jahren an zwei Händen abzählen. Und nur in sechs Fällen waren Passagiere an Bord.

Also, nehmen Sie den alten Witz nicht so ernst, in dem ein Käpten zu seinem Kopiloten im Anflug auf Frankfurt sagt: „Langsam sollten wir aufhören zu saufen, ich habe nämlich mein Auto am Flughafen stehen.“

Von Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 132: Alkohol am Steuerknüppel”

  1. Werner Fischbach sagt:

    Hi Andy,

    vor Jahren bin ich mit einem befreundeten Piloten mit seiner Do27 zum Fallschirmabsetzen geflogen. Ich verrate den Flugplatz nicht. Aber in der Stadt gab es eine Brauerei, deren Chef ein Herz für die Luftfahrt und Fallschirmspringer hatte. Er hatte dann nach Sprungende ein Fest gesponsert, zu dem auch wir eingeladen waren. Nachdem jeder von uns (mein Freund und ich) zwei Gläser (0,3) getrunken hatten, lehnten wir mit dem Hinweis, dass wir ja noch nachhause fliegen mussten, weitere Biere ab. Worauf der Brauerbesitzer meinte: „Dann fahrt Ihr vom Flughafen halt mit dem Taxi nachhause!“

    Brauchst Du nicht veröffentlichen. Nur so zur Ergänzung des Beitrags.

    Viele Grüße
    Werner

  2. Am 26.03.2016 war ein American Airlines Pilot morgens um 06:40 dem Sicherheitsdienst des Detroiter Flughafens mit Verdacht auf Trunkenheit aufgefallen. Die alarmierte Polizei unterzog ihn einem Alkoholtest und verhaftete den Piloten vor den Augen der Passagiere. American Airlines stornierte daraufhin den Flug nach Philadelphia. Die Nachricht ging um die Welt. Handyvideos von dem Piloten in Handschellen kursieren bereits im Web. Den Imageschaden für die Airline kann man sich kaum vorstellen!