Luftpost 131: Luftnummer

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Foto: Fecker

So einfältig wie der Glaube an den Weihnachtsmann, der von Rudolph dem Rentier auf seinem Schlitten durch die Luft gezogen wird, ist auch die Annahme, dass wir die erdumgebende Lufthülle schrittweise verpesten können, als gäbe es kein Morgen. Als ehemaliger Soldat und Fluglotse denke ich beim Stichwort Luft vor allem an das politische Gebilde eines definierten Luftraumes innerhalb der Grenzen eines Staates. Als interessierter Mensch denke ich auch an die Atmosphäre, in der wir leben, und die wir erdnah auf vielfältigste Art nutzen. ­Es geht immerhin um unsere Atemluft. Luft ist grenzenlos, ihr Vorhandensein ist unsere Lebensgrundlage. Ihre Nutzung darüber hinaus hat sich diesem Anspruch unterzuordnen.

Unsere Atmosphäre beginnt mit der laminaren Unterschicht, die nur wenige Zentimeter über dem Boden liegt. Hier leben Mikroorganismen; Wurzelwerk und Grasnarbe sorgen für ein eigenes Mikroklima, innerhalb dessen kaum Luftbewegung stattfindet. Darüber liegt die etwa zwei Meter dicke bodennahe Grenzschicht, innerhalb derer sich Menschen, Tiere und bedauerlicherweise auch Autos mit Verbrennungsmotoren aufhalten. Vor allem aus dieser Luftschicht füllen wir ein Leben lang unsere Lungen. Das schien den Ingenieuren in der Autoindustrie nicht so recht klar gewesen zu sein. Die bodennahe Luftschicht bis etwa 50 Meter Höhe ist durch Bebauung geprägt, auch unsere Wälder ragen in diese Schicht. Oberhalb dieser 50 Meter bis zu einer Höhe von 2000 m spricht man von der planetarischen Grenzschicht. Die Windgeschwindigkeit nimmt weiter zu, die Windrichtung ändert sich, weil der Reibungseinfluss der Erdoberfläche weiter abnimmt. Zwischen 2000 m und der Obergrenze der Troposphäre bei etwa 15 km ist reibungsfreier Raum, in dem sich Stürme voll entfalten können. Deshalb ist diese Schicht für Meteorologen und Klimaforscher besonders interessant, schon wegen der Ozonschicht, die sich in dieser Höhe befindet, und die uns vor der schädlichen Einwirkung der Sonne schützt.

Dass über der Troposphäre noch die Stratosphäre liegt, die bis in 80 km Höhe reicht, und darüber die Mesosphäre und die Thermosphäre und die Exosphäre, sei nur am Rande erwähnt. Auch wenn wir sogar diese Lufträume nutzen, wie in der Luftpost Nr. 120 beschrieben. Der vom Menschen genutzte erdnahe Luftraum ist also die Troposphäre

„Der Himmel gehört nicht FRAPORT“ war einst auf einem Transparent an einem Offenbacher Kirchturm zu lesen. Gemeint war damit der Frankfurter Flughafenbetreiber. Obwohl niemand auf die Idee kommen würde, einen solchen Unsinn zu behaupten, ist diese Aussage rein sachlich genauso korrekt wie „Die Erde gehört nicht der Autobahnmeisterei“ oder „Das Meer gehört nicht dem Hafenmeister“. Diese Institutionen sind lediglich im Dienste des Staates für die geordnete Abwicklung des Verkehrs zu Lande, zu Wasser bzw. in der Luft zuständig, das betreffende Medium muss ihnen dabei nicht „gehören“. Die Zielrichtung des Kampfslogans war natürlich klar, es ging um den Protest gegen Fluglärm.

Dass der Luftverkehr für unsere Gesellschaft wichtig und prägend ist, wird heute kaum noch jemand bestreiten. Genauso wenig wird man anzweifeln, dass jede Art von Verkehr klimaschädlich ist. Punkt. Manche mehr, manche weniger. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht gedankenlos als Schnäppchenflieger in der Gegend umher jetten, nur um des Fliegens willen und weil die Billigairlines es gerade möglich machen, für ein paar Euro auf einen Kaffee ‚zum Italiener‘ nach Palermo zu fliegen. Das wäre doch schon mal der erste gute Vorsatz fürs neue Jahr, das in wenigen Tagen beginnt? Ein zweiter wäre, für die Kurzstrecke öfters mal die Bahn zu nehmen.

Und ein dritter liegt mir wirklich am Herzen, weil er etwas mit unserer Luft zu tun hat: In dieser Neujahrsnacht werden wie jedes Jahr allein in Deutschland innerstädtisch und in Lungenhöhe wieder 8000 Tonnen gesundheitsgefährdender Feinstaub, 200 Tonnen Kohlenmonoxid, 1900 Tonnen Schwefeldioxid und 1500 Tonnen Kohlendioxid durch private Feuerwerke an die Umwelt abgegeben. Das Umweltbundesamt beklagt am ersten Tag eines jeden neuen Jahres eine Feinstaubbelastung, die vielerorts so hoch ist wie sonst das ganze Jahr über nicht. Zu den Stickoxiden mischen sich zahlreiche unbekannte Verbindungen durch illegale Böller-Importe. Das Feuerwerk belastet Böden und Grundwasser, der gesamte Straßendreck müsste strenggenommen als Sondermüll entsorgt werden. Die gebündelte Sprengkraft aller in einer deutschen Neujahrsnacht für etwa 110 Millionen Euro verballerten Feuerwerke entspricht einer halben Hiroshimabombe! In der Neujahrsnacht entstehen jedes Jahr geschätzte 20 Milliarden Euro an Schäden weltweit. Dabei gibt es viele hundert Verletzte und Tote. In Deutschland entstehen regelmäßig zwischen 5000 bis 8000 Wohnungsbrände durch Feuerwerksraketen, die sich durch geöffnete Fenster verirren. Und das alles, weil sich eine Jahreszahl ändert? Darauf zu verzichten wäre doch nochmal ein guter Vorsatz fürs neue Jahr!

Wohin die ungezügelte Luftverschmutzung führt, sieht man Tag für Tag am Smog unter anderem in China. Er bringt das öffentliche Leben im Freien fast zum Stillstand. Brandrodungen in Indonesien haben auf die umliegenden Staaten in Singapur und Malaysia atembeklemmende Folgen. Wenn der Wind ungünstig steht, sieht man dort keine zehn Meter weit, die Menschen gehen nur noch mit Atemschutz vor die Haustür.

Luft kennt eben keine Grenzen, deshalb ist die gesamte Menschheit füreinander verantwortlich. Mobilität ist zwar auch ein Menschenrecht, sie hat aber wie alles im Leben zwei Seiten. Ich wünsche allen Lesern ein glückliches neues Jahr, in dem wir unser Recht auf Mobilität wohldurchdacht und verantwortungsbewusst wahrnehmen. Vielleicht sollten wir uns das mit dem Rentierschlitten doch nochmal ernsthaft durch den Kopf gehen lassen?

Von Andreas Fecker

3 Antworten zu “Luftpost 131: Luftnummer”

  1. Peter Pletschacher sagt:

    Lieber Herr Fecker,
    selten oder nie schreibe ich Leserbriefe oder Kommentare. Diesmal schon, denn Ihre „Luftnummer“ spricht mir voll aus der Seele. Man könnte auch mal über den Unfug der SUVs schreiben, deren größere Modelle einen Verbrauch pro Personen-km haben wie die Concorde…
    Beste Wünsche für Rest-Weihnachten und einen guten Rutsch
    Peter Pletschacher

  2. Wolfgang Zimber sagt:

    Herzlichen Dank an Andreas Fecker zur „Luftnummer““, in der er mal wieder den Finger in die Wunde legt.
    Es wäre für unsere konsumverliebten Zeitgenossen so leicht, mal auf das umweltfeindliche und verschwenderische Feuerwerksritual an Sylvester zu verzichten, wenn sie ein wenig nachdenken würden.

    Herzliche Grüße
    Wolfgang Zimber
    Konstanz

  3. Andreas Fecker sagt:

    Nach den Ereignissen von Köln, Stuttgart, Bielefeld, Hamburg, Zürich und Salzburg, und nach dem Betrachten vieler Silvestervideos, wo Raketen in Menschmengen oder gar gegen die zur Hilfe eilende Polizei geschossen und Autos mit Böllern beworfen wurden, bin ich sogar für ein totales Verkaufsverbot für private Silvesterfeuerwerke. Die Zeiten der harmlosen Feiern sind offenbar vorbei. Unter dem Deckmantel der Ausgelassenheit werden Flaschen in Menschenansammlungen geworfen, tödliche Verletzungen werden achselzuckend in Kauf genommen, Mädchen und Frauen sind auf der Straße vor dem besoffenen Mob nicht mehr sicher…. Unser Land muss offenbar erst mal wieder zur Vernunft kommen!