Luftpost 130: Chinesische Weihnachtsgeschichte

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Foto: Fecker

Es begab sich in der zweiten Dezemberwoche des Jahres 2015 im fernen China auf dem dreistündigen Flug von Zhengzhou nach Hainan. Ein teilweise gelähmter Passagier sitzt ratlos vor seiner Bordmahlzeit, weil er seit seinem Schlaganfall vor zwei Jahren kein Besteck mehr halten kann. Die Stewardess Fan Xuesong von Hainan Airlines führt den Mann zu einem Sitz in der Business Class, um ihn etwas vor den Blicken und Handykameras der Mitreisenden abzuschirmen. Dann kniet sie vor dem 71-jährigen Passagier auf den Boden, führt ihm den Löffel zum Mund und hilft ihm beim Essen der Bordmahlzeit. Als sie bemerkt, dass er den Reis nicht kauen kann, holt sie ein Nudelgericht. Jetzt geht es leichter. Der alte Mann weint vor Rührung, die Flugbegleiterin trocknet ihm die Tränen, wischt ihm den Mund und füttert ihn weiter. (Link)

Fan Xuesong ist nun die Heldin von China. Millionen Chinesen haben die Fotos in den sozialen Netzwerken weiterverschickt. Sicher wird Hainan Airlines von der guten Presse profitieren, aber das soll hier keine Rolle spielen. Vielleicht geht die eine oder andere Airline bei uns in Europa ja eines Tages in sich, denn der Bordservice bewegt sich zumindest auf den Mittelstrecken gerade in Richtung Erdnüsse und Gummibärchen. Wichtig ist aber, dass in unserer Geschichte ein Mensch uneingeschränkte Zuwendung gespürt hat. Der hilflose Passagier arbeitete übrigens bis zu seinem Schlaganfall als Professor der Medizin und hat ein Leben lang anderen Menschen geholfen.

Ist es nicht schade, dass wir in einer Zeit leben, in der solche Selbstverständlichkeiten überhaupt erst durch die sogenannten sozialen Netzwerke gehen müssen, um bemerkt zu werden? Jeder von uns sollte sich prüfen, in wieweit ihm das Leben und das Schicksal seiner Mitmenschen „am Arsch vorbeigeht“. Muss uns eine chinesische Flugbegleiterin vormachen, was Fürsorge und Nächstenliebe ist? Wir hätten gerne eine bessere, sicherere, weniger egoistische Gesellschaft? Wohlan, die Chancen dazu bieten sich überall, jeden Tag, nicht nur während der Festtage. Ergreifen wir sie, auch ohne es über Facebook & Co bekannt zu machen. Ich wünsche allen Lesern einen besinnlichen 4. Advent und friedliche, ja FRIEDLICHE WEIHNACHTEN!

Von Andreas Fecker