Luftpost 13: Fallschirme

Werbung
Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Warum gibt es keine Fallschirme in Passagierflugzeugen? Immer wieder kommt dieses Thema auf. Dabei gibt es ein gutes Dutzend Gründe, sich das nicht zu wünschen!

• Das Absetzen von 80 Fallschirmjägern aus einer militärischen Transportmaschine erfordert ein Höchstmaß an Mut, Disziplin und langes Trockentraining. Allein das Anlegen des Gurtzeugs dauert Minuten und erfordert viel Übung und Sorgfalt. 300 oder 400 ungeübte Passagiere zum Verlassen eines Flugzeugs bei 800 km/h in 10 km Höhe und einer Temperatur von -60° Celsius zu bewegen, wird nicht möglich sein.
• Selbst wenn man die Türen absprengen würde, würden die abspringenden Passagiere von den Tragflächen oder dem Heckleitwerk zerschmettert.
• Aber auch wenn man dies durch bauliche Veränderungen vermeiden könnte, würde jeder Passagier ohne einen Thermoschutzanzug sofort erfrieren. Außerdem würde er mangels Sauerstoff ersticken, oder zumindest sofort in Ohnmacht fallen.
• Da es gilt, die großen Höhen möglichst schnell zu durchfallen, um wieder in atembare Luft unterhalb von 3000 Metern zu gelangen, darf der Fallschirm erst bei etwa 1500 Metern Höhe geöffnet werden. Wegen der zuvor erlittenen Bewusstlosigkeit bräuchte jeder Fallschirm auch noch einen Öffnungsautomaten, oder der Passagier bräuchte ein Sauerstoffgerät mit Schlauch und Atemmaske und einen Höhenmesser, was alles zuvor noch angelegt und eingestellt werden muss.
• Um Verletzungen beim unkoordinierten Ausstieg durch andere Passagiere zu vermeiden, bräuchte jeder Passagier auch noch einen Helm.
• Der Ausstieg müsste auch bei Nacht funktionieren.
• Landet der Passagier im Wasser, legt sich die Fallschirmkappe meist großflächig über seinen Kopf und erstickt ihn. Er muss sich daher des Gurtzeugs entledigen und untendrunter durchtauchen, ohne sich in den Fallschirmleinen zu verheddern, und das bei angelegter Schwimmweste, die er hoffentlich in der Panik nicht über den Fallschirm sondern untendrunter angelegt hat, sonst öffnet sich nämlich der Fallschirm nicht.
• Über bewaldetem Gebiet würden die unglücklichen Passagiere trotz geöffnetem Schirm mit einer Fallgeschwindigkeit von fünf m/sec durch die Äste krachen und wahrscheinlich mit gebrochenen Knochen stranguliert.
• Bei Gewitter oder starkem Wind werden ungeübte Fallschirmspringer nach dem Aufschlag auf dem Boden fortgerissen und über das Terrain geschleift.
• In bebautem Gebiet besteht die Gefahr, dass die Kappe kollabiert und der Springer die letzten 20 Meter ungebremst zu Boden stürzt.
• Da die Evakuierung von 300+ Passagieren nicht so schnell gehen wird wie bei geübten Fallschirmjägern aus langsam fliegenden Transportmaschinen, würde sich das „Absetzgebiet“ bei einer knapp unter Schallgeschwindigkeit fliegenden Passagiermaschinen wahrscheinlich auf über 300 Kilometer erstrecken.
• 80% aller Unfälle passieren ohne Vorwarnung bei Start und Landung. Nur bei Bombenexplosionen oder Raketenbeschuss könnte ein Fallschirm den einen oder anderen Passagier womöglich retten. In Lockerbie oder Sachalin waren die Passagiere jedoch wegen des Druckabfalls in Sekunden bewusstlos.
• Als im August 2001 ein A310 von Air Transat über dem Atlantik in großer Höhe Treibstoff verlor und schließlich aus 6 km Höhe fast 20 Minuten ohne Antrieb auf die rettenden Azoren Kurs nahm, wäre dies eine der seltenen Gelegenheiten gewesen, einen geordneten Ausstieg durchzuführen. Allerdings darf bezweifelt werden, dass alle 306 Personen an Bord rechtzeitig aus dem Flugzeug und heil im Meer angekommen wären. Schließlich landete das Flugzeug mit einer Punktlandung in Lajes und kam unbeschädigt zum Stehen. Eine Evakuierung per Fallschirm über einem Seegebiet von hunderten von Quadratkilometern wäre also unnötig gewesen.
• Zieht man all dies in Betracht, hätte dies nur einen Zweck, wenn alle Passagiere sich vor dem Flug einer Kurzausbildung unterzögen. Da im Flugzeug nicht genügend Platz zum Anlegen der etwa 25 Kilo schweren Zusatzausrüstung ist, müssten die todesmutigen Passagiere dann noch im Terminal ihre Thermoanzüge anlegen, die Schwimmwesten anziehen, die Sauerstoffgeräte und die Fallschirme umschnallen und dann zum Flugzeug stapfen. Und dann möchte ich Oma Bolte sehen, ob sie noch immer Lust hat, ihren Enkel in Amerika zu besuchen!