Luftpost 125: Höllenfeuer

Werbung
Machet euch die Erde untertan, heißt es. Aber so? – Foto: Archiv Fecker

Um die Jahrtausendwende war der Nickel-Cadmium-Akku das Maß aller Dinge. Heute sind es Lithium-Ionen-Akkus, weil sie doppelt so viel Energiedichte bei geringem Raumbedarf und eine längere Betriebsdauer haben, dafür entfällt der Memory-Effekt. In all unseren flachen, schlanken, leichtgewichtigen Smartphones, Laptops, Notebooks, Tablets, Kameras, Taschenlampen, Uhren und E-Book-Readern sind Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Fast durchweg begehrte Just-in-Time-Produkte. Entsprechend lechzen Verbraucher und Elektronikindustrie nach diesen winzigen Kraftwerken.

Lithium-Ionen Batterie für die APU des Dreamliners nach dem Brand bei JAL. – Foto: NTSB

Dass diese Kraftwerke nicht ganz ungefährlich sind, musste Boeing bei der pannenreichen Einführung ihres 787 Dreamliners nach mehreren Batteriebränden schmerzhaft erfahren. Die Zwischenfälle führten zu einem flottenweiten Grounding der 787. Die wirkliche Ursache wurde bisher nicht gefunden. Man vermutet einen Kurzschluss zwischen zwei Batteriezellen, die zu einer Kettenreaktion geführt hat, einem Thermal Runaway. Die Batterien wurden modifiziert und die FAA gab sich mit einem verbesserten Containment zufrieden, d.h. wenn das Ding denn nochmal brennt, soll es wenigstens keinen äußeren Schaden anrichten können. Das Grounding kostete allein All Nippon Airways 1,1 Millionen Dollar pro Tag, man kann sich vorstellen, welchen wirtschaftlichen Schaden die 50 bereits ausgelieferten Flugzeuge verursachten, die damals drei Monate am Boden standen.

Ein weiteres Problem ist der Transport von elektronischen Geräten mit Lithium-Ionen-Batterien per Flugzeug. Hier werden tausende von batteriebestückten Geräten auf engem Raum verpackt. Die Akkus sind teilgeladen, weil sie in diesem Zustand stabiler sind. Und trotzdem kommt es immer wieder zu Zwischenfällen mit brennenden oder explodierenden Geräten. Am 3. September 2010 war ein Boeing 747 Frachter der UPS mit elektronischen Geräten von Hongkong nach Köln unterwegs. In Dubai landete die Boeing zum Auftanken. Nach dem Start, die Crew war bereits auf der Frequenz von Bahrain, entwickelte sich Rauch an Bord, der immer dichter wurde und ins Cockpit drang. Die beiden Piloten konnten ihre Instrumente nicht mehr sehen, ein Frequenzwechsel war nicht mehr möglich, alle Kommunikation fand nun über Notfrequenz statt. Andere Maschinen in der Nähe dienten als Relaisstation. Die Sauerstoffversorgung des Käpten brach zusammen, er wurde ohnmächtig. Der Kopilot kämpfte nun alleine mit dem Flugzeug und dem Rauch. Er rang um sein Leben, rief andere Flugzeuge auf seiner Frequenz zu Hilfe. Sie gaben seine Fragen an die Fluglotsen in Dubai weiter und übermittelten die Anweisungen von dort. Die umständliche Kommunikation über diese Relaisflugzeuge erhöhte die Panik im Cockpit der brennenden 747. Immer mehr Crews mischten sich ein, während der Pilot um Hilfe flehte und erfahren wollte, wo er ist, wie hoch er flog und welche Richtung er steuern sollte. Als er endlich auf Dubai anflog, war er zu hoch, die Landung auf einem anderen Flughafen 10 Meilen weiter schaffte er nicht mehr. Die Maschine stürzte aus 4000 Fuß ab.

Das Feuer im Laderaum hatte sich in wenigen Minuten so ausgebreitet, dass die Maschine kaum noch zu steuern war. Die Ladung bestand fast ausschließlich aus Paletten mit elektronischen Artikel, darunter mindestens 35.000 Lithium-Ionen und Nickel-Cadmium Batterien plus einer signifikanten Dunkelziffer, die nur in Gewicht angegeben war. In dem vollgetankten Flugzeug befanden sich etwa hundert Tonnen hochbrennbare Fracht, mit einer Brenntemperatur von 600° Celsius! Jahr für Jahr werden über 100 Millionen Lithium-Batterien mit dem Flugzeug befördert, entweder in den Taschen der Passagiere, in ihrem Gepäck oder als Fracht. Grund genug, diesem Umstand mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die ICAO hat auch prompt reagiert und strenge Richtlinien für Verpackung und Transport von Lithium Batterien erlassen. Wichtigste Einschränkung: Bestimmte Lithium Batterien dürfen nicht in Passagierflugzeuge verladen werden. Haben wir uns nach der Atomkraft auch damit wieder ein Höllenfeuer eingekauft, das wir nur mit Mühe beherrschen?

Von Andreas Fecker

2 Antworten zu “Luftpost 125: Höllenfeuer”

  1. Andreas Fecker sagt:

    Im November 2015 quoll plötzlich weißer Rauch aus dem Handgepäck eines Passagiers an Bord einer Boeing 737 von Ethiopian Airlines. Er hatte zwei geladene Lithium-Ionen Ersatz-Akkus für sein Smartphone zusammengebunden. Diese haben sich während des dreistündigen Fluges gegenseitig erhitzt und Feuer gefangen. Der Brand konnte mit Feuerlöschern rechtzeitig erstickt werden.

  2. Andreas Fecker sagt:

    Am 12. Januar 2016 landete eine Boeing 717 in Kahului (Hawaii) mit Rauch im Gepäckraum. Im Koffer eines Passagiers hatte sich eine e-Zigarette entzündet, die eigentlich im Handgepäck hätte befördert werden müssen. Denn auch darin steckt eine Lithium Batterie! Das Feuer konnte rechtzeitig gelöscht werden.