Luftpost 120: Extraterrestrischer Alltag

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Andreas Fecker bei seinem Besuch in Kourou – Bildarchiv Fecker

Ohne Luft- und Raumfahrt würde unser tägliches Leben, so wie wir es kennen, nicht funktionieren. In den verschiedenen Umlaufbahnen um unseren Planeten kreisen 38 Wettersatelliten, 111 Navigationssatelliten, 713 Rundfunk- und Kommunikationssatelliten, etwa 200 Forschungssatelliten, 12 Frühwarnsatelliten, 11 Seenotfunksatelliten, ein Weltraumteleskop, eine Raumstation und last but not least, mindestens 33 bekannte Aufklärungs- und Spionagesatelliten. Den Namen dieser künstlichen Himmelskörper von ASTRA über EUTELSAT, GALAXY, GALILEO, GLONASS, GPS, GOES, INMARSAT, INTELSAT, LANDSAT, METEOSAT, NOAA oder KEYHOLE begegnet man von Zeit zu Zeit, verschwendet aber kaum einen Gedanken daran, dass es sich um ganze Satellitenflotten handelt, die dutzendweise in den Orbit „geschossen“ wurden. Die IRIDIUM Flotte von Motorola zum Beispiel bringt es alleine auf 95 künstliche Himmelskörper, um per Satellitentelefon Sprache und Daten zu übertragen. In den nächsten Jahren ist die Stationierung von weiteren 70 IRIDIUM Satelliten geplant.

Wetter- und Sturmvorhersagen, Ernteprognosen, Waldbrandentdeckung, unsere Erreichbarkeit in jedem Winkel der Welt, die Nachrichten in Echtzeit, die einfache Navigation auf dem kürzesten Weg zwischen zwei Punkten, die Überwachung des Postverkehrs, das Tracking von Schiffen, Zügen und Flugzeugen, aber auch das verzugslose Versenden von Fotos und Videos, all das ermöglicht uns die Raumfahrt. Inwiefern dies alles ein Segen für unser Leben ist, lasse ich mal dahingestellt.

Ausgelöst wurde der Hype im All durch den Start von Sputnik 1 am 4. Oktober 1957, der die Welt in eine Art Schockzustand versetzte und zu einem Wettlauf der Raumfahrtnationen führte. Seitdem hat sich dort so einiges getan. Die künstlichen Himmelsstationen werden je nach ihrem Zweck in verschieden hohen Umlaufbahnen „aufgehängt“. Sie beginnt mit der LEO Zone, dem erdnahen Low Earth Orbit zwischen 200 und 2000 km Entfernung. Darüber ist die MEO Zone, in der unter anderem die Navigationssatelliten GPS, GLONASS und GALILEO ihre Bahnen ziehen. Der Medium Earth Orbit endet an der geostationären Umlaufbahn in 35.786 km Höhe. Da die künstlichen Himmelskörper in dieser Entfernung stets am selben Punkt über dem Äquator stehen, brauchen die Antennen auf der Erde nicht nachgeführt werden. Außerhalb dieses Kreisels beginnt der High Earth Orbit (HEO).

Typenschild einer Ariane Feststoffrakete – Foto: Andreas Fecker, aufgenommen am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch Guyana

ARIANE & Co machen es möglich. Für ca. 170 Millionen Dollar pro Start bringt die europäische Superrakete bis zu zwei Satelliten mit maximal 21 Tonnen Nutzlast in den LEO. Auch andere Hersteller von Trägerraketen wie BOEING, COSMOS oder neuerdings das Privatunternehmen SpaceX bieten ihre Systeme an. Eigentümer und Betreiber sind über 60 Staaten, allen voran natürlich Russland und die USA. Länder wie Ecuador oder Aserbeidschan und viele europäische Staaten sind darunter, die Schweiz und Österreich, Estland, Bulgarien, Dänemark und Deutschland, sofern sie nicht von der ESA betrieben werden. Aber auch private Konsortien verdienen ihre Sterntaler damit. Google und Microsoft denken längst über Satelliten nach. Da kommt ein Haufen Himmelsgerät zusammen. Nach 50 Jahren Raumfahrt ist der erdnahe Orbit schon mit 6000 Satelliten übersät, von denen immerhin noch weit über 1000 aktiv sind.

Die verschiedenen Weltraumagenturen haben daher ein stets wachsendes Problem: SCHROTT. Zu den aktiven und aufgegebenen Satelliten und ausgebrannten Raketenstufen kommen nämlich noch etwa 600.000 Trümmerteile, die eine ständige Gefahr für die empfindlichen Taktgeber unseres hochtechnisierten Erdenlebens sind. Mit dazu beigetragen haben die Chinesen am 11. Januar 2007 durch den Raketenbeschuss ihres stillgelegten Wettersatelliten Fengyun-1C. Der Test sollte der Welt zeigen, wie verletzlich ihre Spionagesatelliten sind. Dadurch wurde jedoch eine Wolke von winzigen Trümmerteilchen geschaffen, die die Raumfahrt bis zum heutigen Tag bedrohen.

Über 1000 aktive und gut 5000 stillgelegte Satelliten umkreisen die Erde – Screenshot ESA

Die Annährungsgeschwindigkeit zwischen einem solchen Trümmerteilchen und einem Satelliten beträgt etwa zehn Kilometer pro Sekunde. Das kann genügen, um einen 250 Millionen Euro teuren Satelliten unbrauchbar zu machen. Am 10. Februar 2009 kollidierte Iridium 33 mit Kosmos 2251. Durch die Wucht des Aufpralls und die Gewalt der Explosion durchdrangen die beiden Satelliten einander und schmolzen innerhalb von Mikrosekunden zu Plasma. Außerdem entstand eine weitere Trümmerwolke von etwa 2000 größeren Fragmenten. Durch Reibung sinken diese Trümmerteile allmählich in nähere Umlaufbahnen, bis sie eines Tages verglühen und zur Erde stürzen. Mehrfach musste die ISS deshalb ihre Position in 400 km Höhe ändern, die Computer hatten einen möglichen Einschlag vorausberechnet.

Umlaufbahnen der Trümmerteile aus der Iridium-Kollission im erdnahen Orbit – Screenshot ESA

Das Problem mit dem Satelliten- und Raketenschrott ist mittlerweile so groß, dass eigene Trümmer-Tracking Stationen ins Leben gerufen werden, die die Umlaufbahnen von bekannten Trümmerteilen berechnen. Das Radar erfasst Fragmente ab 5 cm (!) Größe, die mit 30.000 km/h durchs All schießen. 17.000 dieser Geschosse sind katalogisiert, Ihre Bahnen werden ständig berechnet. In Zukunft werden Satelliten, die ihr Lebensende erreicht haben, vor dem Abschalten auf einen Friedhofsorbit gehoben, in dem sie voraussichtlich keinen Schaden mehr anrichten können.

Da dachte man lange, die Menschheit könne ihren Dreck in den unendlichen Meeren oder im Weltall entsorgen. Pfeifendeckel. Und damit stehen wir wieder mit beiden Beinen auf der guten, alten Erde und versuchen die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken.

Von Andreas Fecker