Luftpost 119: Die doppelte Lufthansa

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Die deutsche Lufthansa führt ihre Geschichte auf das Jahr 1926 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Flugbetrieb auf Beschluss der Alliierten eingestellt, 1951 wurde die Lufthansa liquidiert. Ihre Neugründung erfolgte am 6. Januar 1953 mit der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf LUFTAG. Das war aber nur der Arbeitsname, die Namensrechte hatte sie sich über das Luftfahrtbüro Bongers schon vorher gesichert. Erst am 6. August 1954 wurde die LUFTAG in DEUTSCHE LUFTHANSA AG umbenannt.

Am 1. Mai 1955 beschloss auch der Ministerrat der DDR mit Unterstützung der Sowjets eine zivile Personen- und Frachtluftverkehrsgesellschaft aufzustellen und sie ebenfalls „Deutsche Lufthansa“ zu nennen. Als Warenzeichen ließ sich der „volkseigene Betrieb“ den Kranich der alten Vorkriegsgesellschaft eintragen. Natürlich protestierten Bundesregierung und Lufthansa West gegen die Namensgebung. Daraufhin erschien im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik vom 27. Februar 1956 eine Anordnung über das Statut der „Deutschen Lufthansa“, in der die Gründung der Lufthansa Ost kurzerhand um ein Jahr auf Mai 1954 zurückdatiert wurde! Man versuchte so wider besseres Wissen, den bevorstehenden Streit um das Namensrecht gewinnen zu können.

Die Direktion der Lufthansa Ost durfte auch direkt mit den Botschaften und den Luftfahrtgesellschaften der in der DDR akkreditierten „kapitalistischen Staaten“ verhandeln. Das schloss unangenehme Kontakte nach Westdeutschland automatisch aus. Gleichzeitig war es der Lufthansa West untersagt, Berlin anzufliegen. Nur Airlines aus den alliierten Staaten durften die Sowjetische Besatzungszone auf drei genehmigten Korridoren nach Westberlin überfliegen. Im internationalen Streckennetz der Lufthansa Ost fanden sich Strecken von Berlin nach Moskau, Warschau, Vilnius, Budapest, Bukarest, Belgrad, Sofia, Prag und Tirana. Innerhalb der DDR wurden Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Eisenach und Barth angeflogen. Die Flotte bestand aus Iljuschin Flugzeugen, 26 Il-14 und fünf Il-18.

Iljuschin Il-18 – Foto: Fecker

Wegen des schwelenden Rechtsstreits um die Marke Lufthansa und wegen diverser Beschränkungen im Ausland gründete der Staatsrat eine zweite Fluggesellschaft namens INTERFLUG. Auf diese könnte man sich zurückziehen, falls man den Rechtsstreit verlieren würde. Die Crews sollen auch zur Sicherheit Uniformen der Interflug mitgeführt haben, um sich gegebenenfalls vor dem Rückflug umziehen zu können. Es existiert auch ein Schreiben an die Zentrale, in der Abziehbilder für das Überkleben des Airline-Namens und des Logos angefordert werden. Diese waren auf allen Auslandsflügen sicherheitshalber mitzuführen.

1962 verlor die Lufthansa Ost vor einem Gericht in Belgrad den Prozess um die Marke Lufthansa. 1963 beschloss der Ministerrat der DDR, die Lufthansa-Ost zu liquidieren. Einen letzten Seitenhieb auf den Prozessgewinner konnten sie sich jedoch nicht verkneifen. In dem Beschluss steht noch folgender Satz: „Die INTERFLUG übernimmt die Rechte und Pflichten der DEUTSCHEN LUFTHANSA aus den kommerziellen Abkommen und Verträgen …“

Eine Anekdote will ich zum Tag der Deutschen Einheit noch loswerden: Flugzeugentführung eines DDR-Inlandsfluges mit 97 Passagieren nach Westdeutschland. Der Entführer fordert von der Regierung der DDR „Die sofortige Zuteilung einer menschenwürdigen Wohnung sowie die Auslieferung des schon lange bestellten Trabant.“ Und dann droht er mit Ungeheuerlichem: „Wenn ihr nicht darauf eingeht, lasse ich alle Passagiere an Bord frei!“

Von Andreas Fecker