Luftpost 116: „Roger, Robert und Romeo“

Werbung
Andreas Fecker – Foto: Fecker

„ROGER, OVER and OUT,“ hört man immer wieder mal in schlecht gemachten Filmen, in denen die Regie auf fachliche Beratung verzichtet hat, womöglich noch gefolgt von einem „BEEP“. Anlass, einmal ein paar Basics der Luftfahrtsprache zu beleuchten.

„ROGER“ bedeutet, dass man eine Nachricht verstanden hat. Man quittiert eine Information. Nicht mehr. Es bedeutet nicht, dass man darauf auch reagieren wird. Ein ROGER als Antwort auf eine Instruktion könnte nämlich auch heißen, „Ich hab das zwar verstanden, aber du kannst mich mal hinten rumheben!“ ROGER stand einmal für das Tastfunkkürzel „R“, kurz für „RECEIVED“. Als Wort geht es auf die 1940er Jahre im militärischen Sprechfunk der Amerikaner zurück. Das Alphabet wurde mit kurzen, leicht verständlichen phonetischen Worten definiert, wie „ABLE, BAKER, CHARLIE, DOG, EASY, FOX“. Für das „R“ stand „ROGER“. Die Engländer bemühten damals für das „R“ noch den „ROBERT“, bevor sie im gemeinsamen Kampf gegen Deutschland den amerikanischen „ROGER“ übernahmen. Im heutigen internationalen ICAO-Luftfahrt-Alphabet hat man sich weltweit auf „ALPHA, BRAVO, CHARLIE, DELTA, ECHO, FOXTROT“ festgelegt, das „R“ wird als „ROMEO“ ausgesprochen. Der „ROGER“ ist trotzdem geblieben, allerdings mit der oben geschilderten Bedeutung: „ICH HABE VERSTANDEN“. Sie auch? Wenn nicht, sind Sie kein Flieger. Und dann schadet es ja auch nix. Die korrekte Antwort auf eine Anweisung lautet „WILCO“, oder in der Langform: „Ich habe Ihre Message erhalten, verstanden und werde sie auch ausführen.“ „I WILl COmply“. Dann erst kann sich der Partner auch sicher sein, dass die Anweisung ausgeführt wird.

Auch der Ursprung des Notrufs MAYDAY droht verloren zu gehen. Es hat mitnichten mit dem anglistischen Ersten Mai, dem Mayday zu tun. Vielmehr beauftragte man 1923 den erfahrenen britischen Kommunikationsoffizier Frederick Stanley Mockford für den noch jungen Flugverkehr zwischen London und Paris ein Notsignal zu ersinnen, das sowohl für französisches als auch für britisches Boden- und Luftfahrtpersonal leicht zu sprechen und zu verstehen war. Mayday hört sich genauso an wie M’aider! (Mir helfen!). Nobelpreiswürdig war diese Konstruktion sicher schon damals nicht. Trotzdem hat sie bis auf den heutigen Tag überlebt. Und eines kann ich versichern: Beginnt ein Pilot seinen Notruf mit „MAYDAY MAYDAY MAYDAY“ ist ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fluglotsen sicher. Und das ist schließlich der Sinn der Sache. Gleiches gilt natürlich auch für einen Skipper auf See.

Ein abgeschwächtes Signal ist „PAN-PAN“. Wieder einmal standen die Franzosen Pate. Das französische Wort „panne“ heißt so viel wie das deutsche Wort „Panne“ oder „Störung“. Wie man das den Engländern erklärt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls haben sie es akzeptiert. PAN-PAN, PAN-PAN, PAN-PAN wird benutzt, wenn man zum Beispiel einen medizinischen Notfall an Bord hat. Oder der Pilot hat im Anflug einen Autounfall beobachtet und möchte das per Dringlichkeitsmeldung weitergeben. Oder der Treibstoffvorrat wird in einer Warteschleife langsam prekär, aber nicht so, dass man es nicht noch zum Ausweichflughafen schafft. Dazu erzähle ich gerne eine Geschichte, wieder mal aus Decimomannu:

15 Maschinen kreisen seit Minuten über dem Alpha Süd, jenem magischen Ablaufpunkt über Siliqua, den jeder NATO-Fighter-Pilot zwischen Norwegen und Italien als Nadelöhr kennt. Denn am Alpha Süd müssen die Flieger warten, wenn im nur vier Meilen entfernten Airport Cagliari-Elmas die Airliner starten oder landen. Dabei wollen unsere Flieger gar nicht nach Elmas, sondern nach Deci, und das meist sehr dringend, weil sie während ihren Luftkampfübungen den LAUT-LEISE-HEBEL ein paar Mal zu oft nach GANZ LAUT geschoben hatten. Und wie da einer mit sausendem Frack als die laufende Nummer 14 seine restspritverzehrenden Runden zieht, und noch immer keine Chance sieht, sich in den nächsten zwei Minuten in Richtung Landebahn abzuseilen, reißt ihm der mittlerweile reichlich dünne Geduldsfaden: „Tower,“ sagt er in ganz passablem Englisch und etwas italienischem Colorit in der Stimme, „wenn ich nicht bald kann landen, geht mir Sprit aus.“ Noch bevor der Tower reagieren kann, schaltet sich die tiefe Stimme eines alten Phantompiloten, Nummer 15 in der Warteschleife, auf die Welle: „Halt den Mund, Jammerlappen, und stirb wie ein Mann!“ Hätte er einfach „PAN-PAN, MINIMUM FUEL“ gesagt, hätte er sich diese Frotzelei sicher erspart.

Wenn nicht eindeutig geklärt ist, ob ein Pilot Luftnotlage erklärt, hat der Fluglotse nachzufragen: „Do you declare emergency?“ So zumindest lernt man das an der Flugsicherungsschule. Bei meinem ersten wirklichen Zwischenfall als junger Schüler auf dem Kontrollturm meldete mir ein Pilot von weit draußen, dass er keine Spritanzeige mehr habe und auf dem schnellsten Weg landen müsse. Roland, mein hochgeschätzter Ausbilder ahnte es schon und kam mir zuvor: „Andy, wenn Sie den jetzt fragen ob er Luftnotlage erklärt, schmeiß ich Sie eigenhändig vom Tower!“

Aber den wahrscheinlich coolsten Piloten erlebte ich vor vielen Jahren auf einem Kontrollturm in der Eifel auf einer Notfrequenz. Der Mann strotzte vor Gelassenheit, sein sympathischer Schweizer Dialekt unterstrich das noch: „Zueri, this is Swissair 246, gueten Obig.“ (Es war etwa 14:30 Uhr). Offenbar erhielt er keine Antwort, denn nach zehn Minuten rief er nochmal: „Zueri, die Swissair 246, gueten Obig?“ Sicherlich war er immer noch zu weit weg von zuhause, denn es dauerte noch einmal zehn Minuten, bis er einen dritten Versuch unternahm: „Zueri, die Swissair 246, gueten Obig?“ Jetzt schien Zürich zu antworten, was ich aber am Boden nicht hören konnte. Der Pilot nannte daraufhin seine Position in der Nähe von Metz, und bat um einen Direktanflug auf die Piste 14 von Zürich. Und so „tiefenentspannt“ brachte er das rüber: „Jo, die Swissair 246. Mehr sind augeblicklich uf de Höchi vo Metz und bruched en direkte Aaflug uf’s 14ni. Mehr händ en komplette Stromusfall und dekläred MAYDAY.“

Von Andreas Fecker

Eine Antwort zu “Luftpost 116: „Roger, Robert und Romeo“”

  1. Hafner sagt:

    Vielen Dank
    War sehr lehrreich.
    Man(Mann) lernt nie aus.