Luftpost 108: Spotlight auf Kuba

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Andreas Fecker

Gestern traf Frank Walter Steinmeier als erster gesamtdeutscher Außenminister den kubanischen Regierungschef in Havanna. Grund genug für die Luftpost, einen Blick auf Kubas Luftfahrt zu werfen. Die Karibikinsel mit rund 11 Mio. Einwohnern ist politisch wieder näher an die USA gerückt. Über Jahrzehnte gab es keine Direktverbindung zwischen den beiden Ländern. Reiselustige Amerikaner mussten entweder in Toronto, Montreal oder Mexico City umsteigen.

Gegründet wird Kubas Fluggesellschaft „Cubana“ 1945 als Tochtergesellschaft der Pan American Airways. Sie expandiert mit Flügen nach New York, zu den Azoren, Lissabon, Madrid, Paris und sogar Israel. Cubana erobert sich schrittweise den Langstreckenmarkt. Doch nach 1956 ist das friedliche Leben in Kuba vorbei. Fidel Castro kämpft im Untergrund gegen die Regierung des Putschgenerals Batista. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Fluggesellschaft. 1958 setzen sich 16 Cubana Piloten nach Miami ab und bitten um politisches Asyl. Es folgen mindestens acht Flugzeugentführungen nach Florida oder Mexiko in zwei Jahren, die teilweise blutig ausgehen. 1959 wird die Airline von Castro verstaatlicht. Die Flugzeugentführungen weiten sich zu einer regelrechten Serie aus, die auch vor Bombenattentaten nicht mehr haltmacht. Zwischen 1959 und 2007 werden 138 Flugzeugentführungen in Kuba gezählt, und es gibt bestimmt noch eine Dunkelziffer.

Die Enteignungen amerikanischer Firmen in Havanna führen zu Boykottmaßnahmen seitens der USA. Die Kubakrise unter Kennedy verschärft die Lage dramatisch. Exilkubaner schütten weiter Öl ins Feuer. Der Boykott nimmt teilweise groteske Züge an. Die heiß begehrten Zigarren dürfen in den USA bei Strafe weder verkauft noch geraucht werden. Auch außerhalb der USA können Amerikaner legal keine kubanischen Zigarren rauchen. Die Hysterie ging sogar soweit, dass eines meiner englischsprachigen Luftfahrtbücher in den USA anfangs nicht erhältlich war, weil sich eine Seite ausführlich mit Kuba beschäftigte. Die Bücher mussten über England oder Kanada bezogen werden. Natürlich trifft der Boykott auch die neue Cubana empfindlich. Castro ist auf die fliegerische Unterstützung der Sowjets und der sozialistischen Bruderländer angewiesen. Die Flottenliste liest sich wie ein Who’s Who oder What’s What der sowjetischen Flugzeugindustrie: Ilyushin, Antonov, Yakovlev, Tupolev, noch heute werden einige dieser Muster mühsam am Fliegen gehalten. Während die Flotte der Cubana aber immer mehr vor sich hingammelt, kommt es im Ostblock zum Umbruch. Alte sozialistische Freundschaften gelten nichts mehr, plötzlich ist Fidel allein zu Hause. Der Export von Zuckerrohr, Zitrusfrüchten, Tabak und Reis reichen nicht zum Überleben, denn der Weltmarkt zahlt nicht die Preise, die man den sozialistischen Brüdern abknöpfen konnte. Der Tourismus sollte nun die Finanzlücke füllen.

Das Streckennetz der Cubana hat sich über Jahrzehnte kaum verändert. Die USA durften mit der Kanadaroute zeitweilig nicht überflogen werden.
Karte: NASA, Overlay – Fecker

Westliche Flugzeugmuster werden „wet-geleast“, d.h. die Crews sind bei einer westlichen Airline angestellt, fliegen aber mit ihren Maschinen im Auftrag von Cubana. Manche dieser Airlines sind wirtschaftlich allerdings selbst recht unsicher und verschwinden unversehens vom Markt, was die Kubaner wiederum mit einem neuen Problem zurück lässt. Zahlreiche Unfälle mit Totalschäden setzen dem Image weiter zu. 1999 wird Cubana von 20.000 Lesern eines britischen Reisemagazin zur schlechtesten Airline der Welt gewählt. Doch improvisieren kann man auf Kuba wie nirgendwo sonst auf der Welt, so scheint es. Und deshalb geschehen selbst dort Zeichen und Wunder: Fidels Bruder Raúl Modesto Castro übernimmt die Regierungsgeschäfte und öffnet sich vorsichtig zu den USA. Präsident Obama ergreift die Chance just zu dem Zeitpunkt, als die Beziehungen zu Russland wegen der Ukrainekrise abkühlen. Die karibische Eiszeit ist vorbei, die Kubaner schöpfen neue Hoffnung. Dass ausgerechnet der deutsche Außenminister sogleich Kuba besucht, ist sicherlich mit den USA abgesprochen. Die europäische Industrie, die ja selbst unter dem Russlandboykott leidet, wird es freuen. Die aktuelle Wunschliste der kubanischen Regierung umfasst 246 Vorhaben im Wert von 8,7 Milliarden US-Dollar. Darunter sind Großprojekte wie Wind- und Photovoltaikparks im Wert von insgesamt 2,1 Milliarden. Und Airbus dürfte sicher auch bald einen Auftrag verbuchen, wenn Cubana endlich wieder neue, sichere, zeitgemäße Flugzeuge kaufen darf.

Von Andreas Fecker