LUFTPOST 09: Vom netten Umgang miteinander

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Andreas Fecker Foto: Bildarchiv Fecker

Nelly Diener hatte am 1. Mai 1927 bei der Swissair als erste hauptberuflich angestellte Stewardess einer europäischen Fluggesellschaft ihren Dienst angetreten. Sie flog für die Swissair, bereitete Speisen zu und schenkte Getränke aus. Nichts von dem war im Flugpreis inbegriffen. Ihre Hauptaufgabe war es, Passagiere mit Flugangst zu „besprechen“, mit ihnen Karten zu spielen und ihnen die Zeit zu verkürzen. Manchmal wurde sogar an Bord gesungen. Nelly war naturgemäß über die Schweiz hinaus bekannt, der Absturz am 27. Juli 1934 bei Tuttlingen, bei dem alle dreizehn Personen an Bord ums Leben kamen, wurde mit grenzübergreifender Bestürzung zur Kenntnis genommen.

• Heute hat sich das Berufsbild des Flight Attendant geändert. Von den Kunden werden sie in erster Linie als Servicepersonal verstanden: ‚Kaffee oder Tee? Orangen- oder Tomatensaft? Salz und Pfeffer dazu?‘ Auf Mittel- oder Langstrecken erweitert sich das Aufgabengebiet über verschiedene Essensausgaben, das Versorgen der Passagiere mit Decken, Kissen, Babynahrung, feuchten Tüchern, Getränken, Zahnstochern oder Kopfschmerztabletten. Technische Assistenz wird benötigt beim Beladen der Overhead-Bins oder beim Anschluss mitgebrachter Kopfhörer. Beratung ist meist von Nöten beim Ausfüllen von Einreiseformularen für das Zielland je nach Herkunft des Passinhabers. Gute Laune ist gefragt, wenn Passagiere ihnen einen Knopf an die Backe reden wollen. (Man möge mir verzeihen, wenn ich jetzt die Hälfte vergessen habe.)

• Die Airline verlangt unter vielem anderem von ihnen, Stunden vorher den Flug vorzubereiten, ausgeschlafen und makellos gekleidet zu sein, für Ordnung und Sauberkeit an Bord zu sorgen, das Boarding geordnet durchzuführen und eventuelle Unstimmigkeiten zu lösen, als verlängerter Arm des Captains zu dienen und aufsässige Passagiere zu beruhigen.

• Die ICAO verlangt von ihnen, als Sicherheitspersonal das Anschnallen der Passagiere zu überwachen, die Sicherheitsdemo und gegebenenfalls eine zügige Evakuierung durchzuführen, bei einer Notwasserung das Kommando über ein Rettungsfloß zu führen, alles in allem für die Sicherheit der Passagiere zu sorgen.

Seit der Ausbreitung der Schnäppchenflieger ist nichts mehr so wie es war. Vom Traum junger Frauen von Reisen in die weite Welt mit Übernachtungen in Luxushotels und drei Tage Erholung am Swimmingpool ist nicht mehr viel geblieben, seit die Konkurrenz den Arbeitgeber Monat für Monat zwingt, die Ticketpreise zu unterbieten. Bei einem bekannten irischen Unternehmen müssen die Flugbegleiter sogar ihre Uniformen selbst bezahlen, sie müssen die Bordverpflegung für den kommenden Tag einkaufen, die sie dann gegen Kommission an die Passagier „verticken“ dürfen, sie müssen nach der Landung die Kabine säubern. Für Bereitschaftsdienste werden sie nicht bezahlt, es wird aber von ihnen erwartet, dass sie zur Verfügung stehen, sollte eine Kollegin ausfallen. Bezahlter Urlaub ist nicht vorgesehen, Krankheit kann man auch persönliches Pech nennen.

Airlines, die sich einst erhobenen Hauptes als Vollsortimenter oder Full Service Carriers von den Billigheimern abgrenzten, dünnen den Service aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Airline setzt die Rahmenbedingungen über Angebote, Buchungssysteme, Technik, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Daneben gibt es ein lebendiges Spannungsfeld zwischen Airline und Kunden, das sich in der Kabine abspielt. Wenn sich eine Cabin Crew allerdings schriftlich dafür bedankt, dass man mit ihnen geflogen ist, muss dem etwas Besonderes vorausgegangen sein, denn alltäglich ist das sicher nicht.

Voraussetzung ist natürlich, man gerät an eine Airline, die den Bordservice noch nicht verlernt hat, und da scheiden ja schon mal die Dumpingflieger aus. Voraussetzung ist ferner, dass man ein aufgeschlossener Typ ist, der nicht zum Lachen in den Keller geht, im Flugzeug wäre das das Clo. Es ist ganz einfach. Meist legt das Kabinenpersonal vor und fragt freundlich nach den Wünschen. Kommt jetzt ein barsches „Ein Bier, aber zack zack!“, weil man das womöglich von zuhause gewohnt ist, wird man schwerlich zum Fluggast des Monats gewählt werden. Es kommt also darauf an, freundlich zu sein und dem Personal die Routinearbeit so einfach wie möglich zu machen. Zugegeben, auf der Kurzstrecke von Frankfurt nach Brüssel wird es schwer sein, sein ganzes Charmepotential auszufahren. Auf der Langstrecke hingegen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten.

Hat sich die Cabin Crew während eines Fluges nun bewährt, hat ihren Job nicht nur ordentlich gemacht, sondern dem Gast auch noch das Gefühl vermittelt, wichtig für die Airline zu sein, könnte man einen der Flugbegleiter ja um einen Airline-eigenen Briefbogen bitten.

Dann schreibt man an die Personalabteilung der Fluggesellschaft, was einem an dem Service besonders gefallen hat, möglichst detailliert und vergisst natürlich Datum, Flugnummer und Sitzplatz nicht. Noch besser ist es, wenn man sich die Namen der freundlichen Flugbegleiter notiert hat. Dieser Brief wird dann unverschlossen dem Purser oder der Purserette übergeben, gerne schon vor der Landung. Solche informellen Beurteilungen machen nicht nur dem betroffenen Personal Freude, sondern wandern zu den Vorgesetzten und finden sich in der Personalakte nieder. Das Personal bleibt motiviert, die Geschäftsführung hat ein Feedback, und … es hat nix gekostet!

Und wenn alles gut geht, erhält man eben so einen netten Brief. Oder ein extra freundliches Lächeln der betroffenen Personen. Und alleine das war doch schon die Mühe wert! Wie die Resonanz auf den Artikel des Kollegen Dierk Wünsche zeigt, können solche Gesten die Kunden-Kultur einer Airline erfolgreicher beeinflussen als das allseits beliebte Airline-Bashing in irgendwelchen Reiseforen.

Foto: Bildarchiv Fecker