Joe Sutter ist tot – Vater der Boeing 747

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Joe Sutter 2006 – Foto: Darko Veberic, Public Domain

Joe Sutter, der Vater der Boeing 747, verstarb am 30. August 2016 im Alter von 95 Jahren. Es gibt wenige Konstrukteure, deren Name so sehr mit ihrem Produkt verbunden war, wie Joe Sutter. Die Luftpost 142 widmet sich seinem Leben.

Die Entwicklung der Boeing 747

Nachdem Boeing den sicher geglaubten Auftrag für die C-5 Galaxy an Lockheed verloren hatte, konzentrierte sich der Flugzeugbauer aus Seattle schon fast aus Trotz auf den zivilen Markt. Die Studien für den Großraumtransporter wurden vom Tisch gewischt. Ein Entwicklungsingenieur namens Joe Sutter, der bisher an der Boeing 737 gearbeitet hatte und für seine unkonventionellen Ideen berüchtigt war, wurde mit dem Projekt einer Boeing 747 beauftragt. Alles was die C-5 zu seinem Vorhaben beitrug, war das neue Fan-Triebwerkskonzept, das ungeheure Leistung versprach. Bisher baute man Flugzeuge und versuchte, die bereits existierenden Triebwerke einzupassen. Diese hatten sich aber meist als unterdimensioniert erwiesen und limitierten das Design des Flugzeugs. Jetzt konnte Sutter so groß bauen wie er wollte. Er wollte ein Flugzeug, das Mach 0,85 fliegen konnte. Die Triebwerke hatten bisher nur auf dem Papier gestanden. Nach den Windkanaltests für die 747 ging die Ausschreibung an General Electric und Pratt & Whitney. GE bot sein C-5 Triebwerk an, P&W versprach, ein ganz neues zu entwickeln. Allen war bewusst, dass dies ein heikles Unterfangen war. Auch wenn das Funktionsprinzip ganz einfach zu beschreiben ist, so ist ein neu zu entwickelndes Triebwerk eben doch ein heikles Zusammenspiel von verschiedenen Baugruppen. Es besteht bei unterschiedlich schnell laufenden Schaufelrädern von Verdichtern und Turbinen stets die Gefahr, dass beim Verändern der Leistungshebel dieses Zusammenspiel asynchron werden könnte, dass sich bei ungenügender Luftzufuhr der Kompressor verschluckt, oder dass die Verbrennung außer Kontrolle gerät, dass es zu Explosionen in der Brennkammer führen könnte, dass die Turbinenschaufeln verglühen, man hatte ja noch wenig Erfahrung mit diesen Höllenmaschinen.

Doch Pratt & Whitney schaffte es, ein Triebwerk anzubieten, das Joe Sutter überzeugte. Das GE-Produkt hätte Mach 0,7 gebracht, das P&W Produkt die geforderten Mach 0,85. Nun ist es in der kommerziellen Luftfahrt eigentlich üblich, dass die Airline entscheidet, welcher Hersteller die Triebwerke liefern darf. Was Joe Sutter damals nicht wusste, ein Vorstandsmitglied von General Electric saß auch im Vorstand von Erstkunde PanAm. Dieser Maulwurf wiegelte den PanAm Vorstand auf, die GE Engine zu favorisieren. Das verfehlte nicht seine Wirkung auf die technikfernen Vorstände von Boeing, die ihrerseits täglich Joe Sutter unter wachsenden Druck setzten, die 747 mit den GE Triebwerken auszurüsten. Man nannte den Vater der 747 einen störrischen Hund, bezeichnete ihn als unkooperativ und sogar schädlich für das Unternehmen. In einer Krisensitzung bei Boeing haute Sutter mit der Faust auf den Tisch: »If you have two engines, one of them does the job and the other one doesn’t, it is not exactly rocket science to decide which one to take, for heaven sakes! Das eine Triebwerk tut‘s, das anderen nicht. Mit dem einen kann ich das Flugzeug voll beladen, mit dem anderen nicht. Wenn meine eigene Firma nicht hinter mir steht und meinen Zahlen glaubt und stattdessen eine politische Entscheidung bevorzugt, was soll ich dann noch hier?« Es kostete Joe Sutter die letzte Kraft, diesen Kampf gegen die firmeninterne Opposition zu gewinnen und das Pratt & Whitney Triebwerk JT9D durchzusetzen.

Später hat Rolls Royce mit eigenen Triebwerken (RB211 Serie) gleichgezogen, und auch GE war mit dem CF6 ab der 1971 weiterentwickelten Boeing 747-200 wieder konkurrenzfähig.

Aus „Strahltriebwerke“ von Andreas Fecker