DLR: Digitalisierung der Flugzeugkabine ermöglicht Innovationen für den Passagier von morgen

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Foto: DLR (CC-BY 3.0)

Die Luftfahrtforschung rückt die Digitalisierung der Flugzeugkabine stärker in den Fokus: Sich verändernde Anforderungen zukünftiger Passagiere und divergierende Trends im globalen Luftverkehrsmarkt erfordern neue und agile Kabinendesigns und Rumpfkonzepte. Das jetzt angelaufene Forschungsprojekt InDiCaD (Innovative Digital Cabin Design) schafft technische Grundlagen, um Design und Auslegung von Kabinen- und Rumpfkonzepten digital direkt zu verknüpfen. Zugleich wird eine Vielzahl technologischer Innovationen und rekonfigurierbarer Module in Kabinen-Konzepten integriert, um die agile und effiziente Ausnutzung des gesamten Flugzeugrumpfes zu ermöglichen, darunter Möglichkeiten zur Nutzung des bisher größtenteils der Fracht vorbehaltenen Unterflurbereichs. Schließlich sollen Verbesserungen der Umweltverträglichkeit sowie für das individuelle Wohlbefinden vorangetrieben werden. Bisherige DLR-Forschungsarbeiten zur Flugzeugkabine, wie beispielsweise im Bereich Sicherheitsanforderungen, fließen in das InDiCaD-Projekt ein.

Digitale Kette entwickeln

„Der Forschungsansatz von InDiCaD ist dabei ein anderer als in der Luftfahrtforschung üblich“, sagt Christian Hesse vom Hamburger DLR-Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt. „Bisher wurde beim Kabinendesign vom gesamten Flugzeug als Basis ausgegangen, nun drehen wir die Perspektive um und denken das Design von der Kabine aus.“ Konzepte und Entwürfe für den Passagierbereich eines Flugzeugs sollen im Projekt zuerst entstehen und dann im Ganzen oder als Module an neue Flugzeuge angepasst werden. Gegebenenfalls wird künftig sogar das gesamte Flugzeug an neue Kabinendesigns ausgerichtet. Ermöglicht wird dies durch die komplette digitale Durchgängigkeit zwischen Design und Auslegung, wodurch neue Entwürfe flexibel auf die zukünftigen Anforderungen im Rechner angepasst werden können.

Eine Datenbank für vielfältige Kabinendesigns

In InDiCaD werden die technologischen Voraussetzungen geschaffen, dass schon früh in der Entwicklungsphase Anforderungen in Kabinendesign-Konzepte einfließen können. „Dafür entwickeln wir digitale Methoden, um die Kabine als Virtuelles Produkt vollständig darzustellen und ihre jeweiligen Potentiale zu bewerten“, erläutert Frank Meller, Leiter der Abteilung Kabine und Nutzlastsysteme im DLR-Institut für Systemarchitekturen in der Luftfahrt. „Eine digitale Informationskette vom Design bis zur Produktion sowie deren Demonstration und Realisierbarkeit im operationellen Einsatz ist eines unserer zentralen Ziele im Projekt InDiCaD.“ Die Institute für Luft- und Raumfahrtmedizin, Flughafenwesen und Luftverkehr, Flugsystemtechnik, Faserverbundleichtbau und Adaptronik, Bauweisen und Strukturtechnologie, Werkstoff-Forschung und Softwaremethoden zur Produkt-Virtualisierung tragen ihr Knowhow – beispielsweise über neue Materialien sowie über Kabinen- und Rumpftechnologien – in diesem Projekt zusammen. Am Ende des Projektes 2022 wird eine Datenbank mit verschiedenen Kabinendesigns zur Verfügung stehen.

Schlafen unter Deck

Ganz neue Nutzungsmöglichkeiten werden im Rahmen der Weiterentwicklung von Rumpfkonzepten denkbar. Künftig wollen Fluggesellschaften beispielsweise die Unterflurbereiche im Rumpf für die Luftfracht und für den Transport von zusätzlichen Passagieren flexibel nutzen. „Dafür entwickeln wir in den kommenden Jahren neue Designlösungen“, unterstreicht Hesse. „Solch unkonventionelle Ansätze werden bei InDiCaD erst durch die digitale Verknüpfung von Design und Auslegung möglich.“ Auch die geschickte Verteilung der Passagiere über zwei Ebenen im oberen Bereich des Flugzeugrumpfs gehen die Forschenden im Projekt an.

Im Rahmen des ganzheitlichen Designs werden viele relevante Aspekte wie das Boarding direkt mit einbezogen: Etwa die Standzeit von Flugzeugen am Boden, die einen großen Einfluss auf ihre Wirtschaftlichkeit hat. Es kann beispielsweise untersucht werden, wie sich Turnaroundzeiten und Fluggastwechsel im Kabinenkonzept darstellen und welche Möglichkeiten der Designanpassung damit verbunden sind. Das trägt auch den Flugpassagieren Rechnung, für die neben dem Komfort in der Kabine auch die Ein- und Ausstiegszeiten am Flughafen bei der Beurteilung von Luftfahrtgesellschaften eine elementare Rolle spielen.

Veränderte Kabinenakustik bei emissionsarmen Antrieben erforschen

Des Weiteren befasst sich InDiCaD mit neuen Lösungsansätzen für die Verminderung von Kabinenlärm: Neue Triebwerke, die Treibstoffverbrauch und Abgasemissionen reduzieren, erfordern unter Umständen neue technische Lösungen für das Rumpf- und Kabinendesign. Die Kabinenakustik von Triebwerken mit extrem hohem Nebenstromverhältnis oder auch gegenläufigen, offenen Propellern ist beispielsweise noch nahezu unerforscht. Zur Lösung der zu erwartenden Akustikprobleme sollen im Projekt aktive und passive Lärmminderungsverfahren untersucht werden. Dazu zählen die aktive Kontrolle und Unterdrückung von Vibrationspegeln der Kabinenverkleidung sowie der Einsatz von innovativen Aerogel-Werkstoffen.

Quelle: PM DLR